Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
Vom Netzwerk:
alle Zeiten da sein.
    Bevor wir sie daran hindern können, wirft sie unser Gepäck in ihren Kleinbus. Grandma ist so daran gewöhnt, das Zeug für die Leute in die Pension zu schleppen, dass sie inzwischen richtig Muskeln hat. Sie lächelt, als sie den Hula-Hoop-Reifen sieht. »Freust du dich schon auf die Talentshow?«, fragt sie Lizzy.
    Ich rechne damit, dass Lizzy wieder zu mosern anfängt, aber stattdessen verzieht sich ihr Mund zu einem gezwungenen Lächeln und sie nickt. »Jeremy freut sich auch schon sehr, stimmt’s, Jeremy?«
    Zu diesem Zeitpunkt sitze ich schon im Kleinbus. »Oh, und wie«, brumme ich.
    »Warum kann ich ihnen das bloß nicht glauben?«, fragt Grandma Mom und schlägt die rückwärtige Tür zu.

    Als wir eine Dreiviertelstunde später bei der Pension »Katzentatze« ankommen, ist mir leicht übel von der Fahrt. Landstraßen machen mich immer fertig. In der Stadt sind die Straßen gerade und verlaufen meist in der Ebene. Lizzy und ich stolpern aus dem Kleinbus. Auch sie sieht ein bisschen blass aus. Mom fragt sie, ob es ihr gut geht, und ich höre sie flüstern, sie hätte Bauchschmerzen. Mom sagt, sie wird ihr ein Schmerzmittel geben, aber das sei ganz normal und vergehe nach ein paar Tagen. Mir wird klar, dass sie wieder über Frauenangelegenheiten reden, nicht über Reisekrankheit. Ich schnappe mir meinen Koffer und laufe schnell ins Haus. Dort werde ich von sechs Katzen in unterschiedlichen Positionen begrüßt. Zwei reinigen diverse Körperteile mit der Zunge, zwei schlafen, eine jagt eine Maus aus Strickgarn und eine weitere kratzt an einem Stuhlbein. Meine Lieblingskatze allerdings sehe ich nicht.
    Grandma taucht hinter mir auf. »Ich habe Tootsie Roll schon in dein Zimmer gebracht.«
    Großmütter sind einfach die allerbesten!
    Ich schleppe meinen Kram die Treppe hoch zu dem Zimmer, in dem ich immer wohne, wenn ich hier bin. Moms Zimmer liegt am anderen Ende des Flurs und Lizzys ist durch eine Tür mit meinem verbunden. Tootsie Roll, braun und mit lang gestrecktem Körper, erwartet mich auf meinem Kopfkissen. Er schnurrt, als ich ihn streichle, aber es ist kein drohendes Geräusch wie bei Zilla. Grandmas Katzen sind normale Katzen, keine urzeitlichen Bestien, die sich als Katzen verkleidet haben. Grandma hat ein Foto von einem Besuch unserer Familie im Gästehaus auf meinen Nachttisch gestellt. Es ist ein paar Jahre nach der Eröffnung gemacht worden, als ich drei
Jahre alt war. Tootsie Roll war damals noch ein kleines Kätzchen, und Grandma erlaubte mir, einen Namen für ihn auszusuchen. Schnell schaue ich von Dads lächelndem Gesicht auf dem Bild weg.
    Ich muss meine sämtlichen Klamotten auf der Stelle auspacken, sonst gerate ich seelisch aus dem Gleichgewicht. Während ich Sachen in Schubladen stopfe, höre ich Lizzy und Mom langsam die Treppe heraufsteigen. Mom schlägt Lizzy vor, sich ein paar Stunden hinzulegen. Ich will ja nicht herzlos sein oder so, aber wenn Lizzy die ganze nächste Woche krank ist, kann es reichlich öde werden.
    Der Koffer ist jetzt leer bis auf drei Dinge, die ich sorgfältig in Zeitungspapier eingeschlagen hatte. Als Erstes nehme ich die Kassette meines Vaters heraus und stelle sie auf den Nachttisch neben das Foto. Auch wenn ich sie nicht öffnen kann, ich hätte es nicht ausgehalten, sie allein zu Hause zu lassen. Dann packe ich den Apfel aus, den Mr Rudolph mir geschenkt hat – er hat nur wenige Druckstellen -, und lege ihn auf den Tisch zu den ausgedruckten Seiten der Pflege- und Ernährungshinweise für Ihre Leihkatze, die Grandma in jedem Zimmer ausgelegt hat.
    Ich sitze auf der Bettkante und streichle Tootsie Roll. Die Abwesenheit jeglichen Lärms ist ohrenbetäubend. Ich brauche immer eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt habe. Vor dem Fenster knabbert ein leibhaftiges Reh an einem der Büsche. Der Gegensatz zwischen diesem Ort und unserer Straße könnte wirklich nicht größer sein.
    Ich lege mein Ohr an die Tür, die mein Zimmer mit Lizzys verbindet, aber ich höre nichts. Sie schläft allen Ernstes am helllichten Tag! Selbst als wir Kleinkinder waren, hat Lizzy
sich immer geweigert, mittags zu schlafen. Es muss ihr wirklich schlecht gehen. Nicht zum ersten Mal bin ich froh darüber, ein Junge zu sein.
    Da mir schon jetzt langweilig ist, gehe ich die Treppe hinunter, um zu schauen, ob ich jemanden zum Kartenspielen überreden kann. Während des Jahrmarkts hat Grandma die meisten Zimmer belegt und normalerweise findet sich irgendein Gast auf

Weitere Kostenlose Bücher