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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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anderen Seite«, sagt sie. »Dreh ihn zur anderen Seite.«
    »Das kommt mir bekannt vor«, murmle ich und denke dabei an die Tür zu Harold Folgards Büro, aber ich gehorche trotzdem.

    Und er lässt sich drehen! Er lässt sich ganz leicht drehen! Ich höre ein Klick , als irgendein Mechanismus einrastet. Wir schauen uns mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Begeisterung an. Dann springen wir zusammen auf und kreischen los. Wir rennen schreiend im Kreis um den Stapel der ausrangierten Schlüssel. Mom kommt und reiht sich in den Kreistanz ein. Ich kann es nicht glauben, dass wir tatsächlich einen Schlüssel gefunden haben, nachdem wir schon an so vielen Stellen gesucht haben! Unsere Theorie war also richtig – würden wir genügend Schlüssel suchen, dann würden wir vielleicht einen finden, der passt. Und so ist es!
    Als wir mit Hüpfen und Schreien fertig sind, stürzen wir uns mit Feuereifer wieder auf den Koffer. »Pass auf, dass du nicht zu schnell machst und einen auslässt«, warne ich.
    »Keine Sorge, ich bin supergenau. Schau mal nach ähnlichen Schlüsseln wie dem, der gepasst hat.«
    Der passende Schlüssel war lang und silberfarben. Wir probieren alle durch, die auch nur von ferne an ihn erinnern, aber sie funktionieren nicht.
    Um sechs holt uns Mom zum Essen in die Küche. Ein Hamburger für mich, ein Vegi-Burger für Lizzy. Mr Muldoun leistet uns Gesellschaft. Er und Mom essen Erwachsenenessen. Grüne Paprika, mit einer Pampe aus Reis, Tomaten und Hackfleisch gefüllt.
    »Was haben Sie denn so vor, solange Lizzy nicht da ist?«, frage ich ihren Vater.
    »Na, das Übliche«, sagt er zwischen zwei Bissen vom Abendessen, das er garantiert nur aus Höflichkeit gut findet. »Wilde Partys, Tanzen bis in den Morgen, solche Sachen eben.«

    »Und ich hab gedacht, ich würde dir fehlen«, sagt Lizzy.
    »Natürlich wirst du mir fehlen«, sagt er. »Aber ich bin auch froh, dass du aufs Land fährst. Von Zeit zu Zeit haben wir es alle nötig, mal die frische Luft dort zu atmen.«
    »Mit den vielen Kühen riecht die Luft aber nicht besonders frisch«, beschwert sich Lizzy.
    »Bei Grandmas Pension gibt es überhaupt keine Kühe!«
    »Aber irgendwie riecht es da nicht gut.«
    »Das sind die Katzen! Und du liebst Katzen!«
    »Ich liebe meine Katze«, verbessert sie mich. »Nicht alle Katzen. Deine Großmutter hat wie viele, ungefähr zwölf?«
    Ich nicke. »Zwölf Katzen, zwölf Zimmer. Nur Katzenliebhaber übernachten bei ihr.«
    »Hey, Dad, weißt du was?«, fragt Lizzy, die offenbar schon wieder das Interesse an den Katzen verloren hat.
    »Sag es mir, ich krieg’s nicht raus.«
    »Wir haben einen von den Schlüsseln für Jeremys Kassette gefunden!«
    Er schaut mich an und grinst. »Das ist ja großartig.«
    »Genau! Und wir haben noch eine Menge Schlüssel zum Ausprobieren vor uns!«
    »Ihr zwei könnt weitermachen, wenn ihr wollt«, sagt meine Mom. »Esst nur vorher eure Burger auf.«
    Fünf Minuten später knien wir wieder vor dem aufgeklappten Koffer. Fünfzig Minuten später finden wir unseren zweiten Schlüssel. Lizzys Hand zittert, als sie ihn umdreht und er mit einem Klick einrastet. Diesmal bleiben wir ganz ruhig sitzen, obwohl mein Puls rast. Der zweite Schlüssel ist kurz und gedrungen. Kein bisschen wie der erste.
    »Sie könnten alle hier drin sein«, sagt Lizzy mit brüchiger
Stimme. »Möglicherweise kannst du die Kassette doch noch an deinem Geburtstag öffnen.«
    »Ich weiß«, flüstere ich, und mir dämmert, wie unwahrscheinlich es mir bisher erschien, dass das wirklich passieren könnte.
    »Worauf warten wir dann?«
     
    Zwei Stunden später habe ich rot geränderte Augen und bin kurz vorm Umfallen. Aber ich mache immer noch weiter. Kurz darauf klopft Mom an die Tür und schlägt Lizzy vor, vielleicht allmählich nach Hause zu gehen.
    »Uns fehlen nur noch zwanzig Schlüssel, Mom.«
    »In Ordnung, aber der Zug fährt morgen um neun von der Penn Station ab, wir müssen also früh aufstehen.«
    Als noch acht Schlüssel übrig sind, finde ich den dritten. Er gleitet sofort ins Schlüsselloch. Danach probieren wir in wilder Hektik die restlichen acht. Aber keiner von ihnen lässt sich auch nur ansatzweise in das letzte Schlüsselloch stecken.
    Es ist vorbei. Ich kann es nicht glauben, dass es vorbei ist. Hilflos schaue ich auf den wirren Haufen unbrauchbarer Schlüssel.
    »Tja, das ist bitter«, sagt Lizzy.
    Ich sage nichts. Ich nehme die Kassette mit den drei Schlüsseln, die aus ihr

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