Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
mechanisch.
Berger murmelt: „Es ist wahr. Ich konnte es dir nicht sagen. Ich habe es ja versucht. Du hast mir nicht geglaubt.“
Moylen starrt ihn an, dann starrt sie mich an. „Ich weiß, was das ist. Das ist ein Komplott gegen ihn. Raus. Raus mit euch!“
Ich ziehe drei Blätter Papier aus der Tasche, ich habe sie nur für den Notfall mitgenommen. Computerausdrucke von Weis‘ Fotosammlung. Ich strecke sie der Verlegerin entgegen. „Sehen Sie sich das an. Weis hat von allen Jüngerinnen Aufnahmen gemacht. Damit er sie bei Bedarf unter Druck setzen kann. Viele von ihnen sind nackt. Sie übrigens auch.“
Moylen starrt auf die Blätter. „Die sind nicht von …“
„Sie kennen einige der Leute. Sie erkennen das, was im Hintergrund zu sehen ist. Er hat sie gemacht. Es gibt keinen, der das sonst getan haben könnte.“
Berger schaut auf Moylen. Offenbar ist ihm ihre Reaktion wichtiger als das, was auf dem Computerausdruck zu sehen ist.
„Dieses Schwein“, sagt Moylen dann. „Diese dreckige Sau. Spirituelle Verbindung. Die Einzige, die mit ihm auf allen Ebenen mitschwingt. Sein Berg. Seine Zuflucht, der allein er sich öffnen kann. Die einzige weiße Liebe. So ein Dreckschwein.“
„Sie haben schon früher vermutet, dass er Sie betrügt“, sage ich leise.
„Ja. Habe ich. Ich bin ja nicht dumm. Aber er hat es mir erklärt, sie seien alle in ihn verliebt, sie würden übertreiben und schließlich sei er auch nur ein Mann. Es sei ein Ausnahmefall gewesen. Sie habe sich ihm hingeben wollen, er könne sie nicht zurückweisen. Alles Lüge.“
„Was ist geschehen?“, frage ich. „Wo sind Franziska Dasch und Carmen Stiller?“
Ida Moylen atmet heftig. Sie starrt mich an. „Was? Wer? Die beiden? Ich weiß es nicht.“
„Franziska Dasch könnte etwas gesehen haben. Auf der Gala“, murmle ich sanft.
„Ja, das ist wahr“, sagt die Verlegerin plötzlich. „Und ich habe auch etwas gesehen. Er hat es sich selbst zuzuschreiben. Ende. Aus. Es war tatsächlich auf der Literaturgala. Er war schon einmal kurz weg gewesen. Ich hatte den Verdacht, er trifft sich mit einer anderen Frau. Er ist wieder aufgestanden. Ich bin ihm vorsichtig hinterher. Er ist aus dem Saal, einen Gang entlang, dann hat er sich umgesehen, er hat mich aber nicht entdeckt, er hat eine Türe geöffnet und ist verschwunden. Mir war es egal, ich bin ihm nachgeschlichen. Da war ein kleiner Saal. Er ist am anderen Ende gestanden. Allein. Er hat an einem Mobiltelefon gefingert und an noch einem Gerät. Er will irgendeine Frau anrufen, habe ich mir gedacht, aber er hat das Gerät an sein Telefon gehalten.“
„Die …“, sage ich.
Ida Moylen nickt. „… Drohung.“
„Hat er Sie gesehen?“
„Nein, ich bin zurück in den Saal.“
„Hat Sie sonst jemand gesehen?“
„Ja. Einige Leute. Unter ihnen Franziska Dasch. Sie dürfte auf der Toilette gewesen sein. Die WC-Anlage ist nicht weit entfernt.“
„Und er weiß, dass Sie wissen …“, fahre ich fort.
Ida Moylen nickt. „Im ersten Moment war mir nicht klar, was das sollte. Ich dachte, das könnte auch irgendein Scherz gewesen sein, irgendein Experiment, kein echter Anruf. Ich habe auch nicht alles verstanden.“
„Man muss es sprengen. In einer halben Stunde geht die ganze Literatur in die Luft“, sage ich langsam. Berger nehme ich erst jetzt wieder wahr, er starrt uns an, nicht fähig, zu sprechen.
„Als sie dann begonnen haben das Rathaus zu räumen, war mir alles klar“, fährt die Verlegerin fort. „Ich habe ihn noch am selben Abend damit konfrontiert. Er hat gemeint, das werde nie aufgedeckt. Die Leute seien ja selbst schuld, wenn sie in Panik geraten. Er habe wissen müssen, welche Auswirkungen so ein Alarm habe, und ich könne nichts dagegen haben, dass unser Buch um ein zugkräftiges Kapitel reicher werde.“
„Sie haben es akzeptiert?“, frage ich fassungslos.
„Ich habe ihn angefleht, sich zu stellen. Er hat gemeint, wenn ich ihn verrate, dann würden sie mir nie glauben. Er werde sein Buch woanders herausbringen. Einige Verlage wollten sein Buch, das wusste ich. Ich habe mir eingeredet, dass ja nichts passiert sei. Und ohne das Buch …“
„… hätte der Verlag zusperren können“, ergänze ich.
Sie nickt.
Nichts passiert. Es hat neun Verletzte gegeben. Zwei Frauen sind verschwunden.
„Weißt du irgendetwas über Franziska Dasch und Carmen?“, fragt Berger.
Ida Moylen schüttelt verzweifelt den Kopf. „Ich würde es sagen, jetzt würde ich
Weitere Kostenlose Bücher