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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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ist nichts mehr eingefallen? Er war dauernd im Fernsehen, oder? Was kostet es, wenn wir mit ihm reden?“
    Angelika reißt die Augen auf. „Nichts. Das kostet natürlich nichts. Lesen Sie seine Bücher. – Ihm fällt schon etwas ein. Eine ganze Menge. Sonst wäre ich nicht da. Ich studiere Philosophie. Er sucht sich seine Assistenten immer unter den Studenten.“
    „Unter Studentinnen“, präzisiert Vesna.
    Zeit, einzulenken. Ich räuspere mich. „Weis, ich weiß nicht, ob Ihnen der Name was sagt, dieser Guru, kennt Zerwolf. Nach dem Bombenalarm sind beide an ihrem Tisch geblieben und haben einander angestarrt.“
    Jetzt werden Angelikas Augen schmal. „Dieser Scharlatan? Natürlich kennt er ihn. Jeder kennt Zerwolf.“
    „Haben Sie eine Idee, warum die beiden einander angestarrt haben?“
    Angelika lächelt. „Wahrscheinlich hat Weis ihn nicht auf einer Gala vermutet. Ich war selbst überrascht, dass er hingegangen ist. Aber Zerwolf hat ihn sicher nicht angestarrt. Er hat wohl bloß zurückgeschaut, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
    „Auch Weis liebt es, seine Jüngerinnen anzuschweigen“, sage ich.
    „Das ist ja wohl etwas ganz anderes“, kontert Zerwolfs Assistentin. „Zerwolf hat keine ‚Jüngerinnen‘, er kann auch nichts dafür, dass er Fans hat, die auf jedes Wort von ihm warten. Zerwolf spricht nicht, weil er es nicht will, das ist alles. Weis sagt nichts, weil es wohl am einfachsten ist, seine seltsamen Verehrerinnen anzuschweigen. Er hat Zerwolfs Idee geklaut und missbraucht sie. Man sollte ihn klagen.“
    „Schweigen darf wohl jeder“, meint Vesna. „Auch wenn mit Scharlatan haben Sie recht.“
    „War Zerwolf deswegen vielleicht sauer auf Weis?“, fällt mir ein.
    „Der ist unter seinem Niveau“, sagt Angelika und wirkt gar nicht glücklich, dass sie uns Zugang zum großen Philosophen versprochen hat. Ob er immer schwarz gekleidet ist? Quasi das Gegenstück zu Weis in Weiß? Er hat gestern ziemlich attraktiv ausgesehen, gar nicht wie ein Einsiedler. Seine Bücher sollen eine Fortschreibung des Existenzialismus sein. Waren die Existenzialisten nicht schwarz gekleidet? So eine Art frühe Philosophen-Gruftis?
    Aber schwarz ist nur die Ledercouch, auf der Zerwolf sitzt. Er trägt Jeans und ein rotes, etwas verwaschenes Sweatshirt. Das Zimmer ist nicht einmal besonders unaufgeräumt. Ein Schreibtisch, ein Laptop, einige Bücher auf dem Schreibtisch, auf der Couch einige Zeitungen. Viele Bücherregale. Zerwolf deutet auf zwei Stühle und lächelt freundlich. Dann erinnere ich mich daran, dass wir ja reden dürfen, auch wenn er nicht spricht.
    „Schöne Grüße von Valentin Freytag“, beginne ich das Gespräch und starte mein Aufnahmegerät. „Vesna ist seine Freundin, er hat gesagt, wir sollen einfach herfahren, auch wenn wir keine Antwort erwarten dürfen.“
    Sein Lächeln wird intensiver. Es wirkt freilich ganz anders als jenes von Weis, es ist eines, das von den Augen her kommt. Ich erzähle, wer ich bin, und dass ich an einer Story über die Bombendrohung schreibe und dass wir uns gestern auf der Gala begegnet sind. Ein neuer Ausdruck in seinem Gesicht. Interesse. „Warum waren Sie gestern auf der Gala?“, frage ich. „Das passt doch nicht ganz zu Ihnen, oder?“
    Er sieht uns an, scheint zu denken. Oder hört er uns gar nicht zu? Den Eindruck macht er eigentlich nicht. Vielleicht nickt er wenigstens mit dem Kopf.
    „Wollten Sie jemanden unterstützen, der für einen Preis nominiert war?“
    Keinerlei Kopfbewegung. Dass er selbst nicht nominiert war, habe ich inzwischen recherchiert.
    „Sie sind sehr lange im Saal geblieben. Haben Sie irgendetwas gesehen, was über das allgemeine Chaos hinausging?“
    War da ein ganz leichtes Nicken oder habe ich mir das bloß eingebildet?
    „Wenn Sie etwas haben gesehen, dann müssen Sie es sagen. Zumindest der Polizei“, fährt Vesna ungeduldig dazwischen.
    Sein Lächeln scheint bedauernd zu sein, aber wer, verdammt noch einmal, kann schon wirklich im Gesicht eines anderen Menschen lesen?
    „Haben Sie irgendeine Idee, wer es getan haben könnte?“, hake ich nach. „Ich sage Ihnen etwas, das ich auch nur informell erfahren habe: Der Anruf ist aus dem Rathaus oder zumindest aus der Umgebung des Rathauses gekommen.“
    „Interessiert Sie nicht, was? Kann sein, dass Sie Leben auch nicht interessiert? Das von anderen? Kann sein, dass Sie selbst Anrufer waren?“ Vesna ist sichtlich genervt.
    Zerwolf richtet sich ein wenig auf und

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