Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
bevor ich vom Papayadessert koste. Weis sollte ich so etwas einmal vorsetzen. Seine Speiseempfehlungen sind so, dass ich Gähnkrämpfe kriege. Alles mild, ununterbrochen soll entschlackt und gereinigt werden, wer das nicht schafft, dem werden Kuren samt Einlauf empfohlen, Milch und Honig und natürlich kein Alkohol, Getreidebreie, nichts Rohes außer Blattsalat, alles gedämpft statt knusprig gebraten, so wenig Salz wie möglich. Kann sein, dass so eine Ernährung gesund ist, glücklich macht sie mich jedenfalls nicht. Carmen kostet, kaut, nimmt etwas vom Eis. Ich belauere sie so unauffällig wie möglich. „Wahnsinn, ist das gut“, ruft sie dann. „Und siehst du, das ist es, was ich wirklich unter pikant verstehe. In Indien hab ich einmal …“
Oskar stöhnt auf. „Mira, das ist aber mörderisch scharf.“ Er wirft mir einen prüfenden Blick zu. Ich nehme einen vollen Löffel. „Ja, gut, nicht?“, sage ich möglichst harmlos und merke, wie sich auf meiner Stirn große Schweißtropfen bilden.
„Das war doch Absicht“, sagt Oskar, als die Tür eine Stunde später hinter Carmen ins Schloss gefallen ist.
Ich schüttle den Kopf. „Hab nur etwas zu viel vom Chilipulver erwischt. Hatte total vergessen, dass ich schon beim Vorbereiten davon in den Topf gegeben habe. – Glaubst du wirklich, dass Carmen nach Wien zieht?“
Oskar wackelt mit dem Kopf. „Willst du auch einen Grappa?“
Ich nicke. Oskar schenkt uns beiden ein, und das nicht zu knapp.
„Hältst du das für eine gute Idee mit dem Postgraduate?“, will ich wissen.
„Das muss sie schon selbst entscheiden. Bisher hat sie ja auch ohne mich entschieden.“
„Und was, wenn ihr der Mann ihrer Mutter das Geld gestrichen hat und jetzt du drankommen sollst?“
Oskar nimmt einen großen Schluck. „Du meinst, sie ist zu mir gekommen, damit ich ihr nächstes Studium finanziere?“
„Nicht so direkt“, murmle ich.
Oskar wird nicht wütend. Er denkt nach, dann sagt er langsam: „Daran hab ich auch schon gedacht. Wobei ich kein Problem habe, ihr das zu finanzieren. Aber wenn sie nur deswegen gekommen ist …“
Ich stehe auf und umarme ihn von hinten samt der Sessellehne. „Vielleicht solltest du einfach einmal mit ihrer Mutter telefonieren?“
„Das ist vielleicht gar keine so schlechte Idee“, lächelt Oskar.
Seine frühere Freundin. Ich bin mir mit einem Mal nicht mehr so sicher, ob das wirklich eine gute Idee ist.
[ 4. ]
Ich bin auf dem Weg in die Redaktion, als mich Verhofen anruft.
„Was haben Sie sich dabei gedacht, mir den Text Ihrer nächsten Reportage als E-Mail zu schicken?“, ruft er, als ich gerade die Rotenturmstraße hinuntertrabe.
„Wir haben das doch vereinbart“, erinnere ich ihn.
„Aber doch nicht als E-Mail! Ist Ihnen eigentlich bewusst, wie einfach der gesamte E-Mail-Verkehr zu überwachen ist?“
„Ich hab die Mail an Ihre Privatadresse geschickt.“
Verhofen seufzt. „Im letzten parlamentarischen Untersuchungsausschuss haben E-Mails aus dem Innenministerium eine große Rolle gespielt, ich glaube nicht, dass es sich nur um solche von Dienstadressen gehandelt hat.“
„Na so brisant war der Inhalt auch wieder nicht“, versuche ich ihn zu beruhigen. Sieht so aus, als hätte jemand Verhofen vor Kontakten zur Presse und im Speziellen zu mir gewarnt.
„Vielleicht haben Sie recht. Zumindest jetzt nicht mehr. Aber allein dass Sie mir Ihre Reportage vorab als Mail schicken, lässt den Schluss zu, dass wir uns getroffen haben.“
Nicht inhaltlich? Jetzt nicht mehr? Ich ahne Übles. „Das ‚Blatt‘ …“, beginne ich.
„Nein, ausnahmsweise nicht das ‚Blatt‘, dafür gleich zwei andere Tageszeitungen: sie haben heute den Wortlaut der Drohung abgedruckt.“
Mist. Mein kleiner Vorsprung ist dahin. „Und von wo aus angerufen wurde, wissen sie auch?“
„Nein, das nicht.“
„Kann ich es schreiben?“
Verhofen seufzt. „Durch die E-Mail kann das jetzt für mich sehr … unangenehme Folgen haben.“
„Dann lasse ich es bleiben. Das hab ich Ihnen versprochen.“
„Wirklich?“, kommt es ungläubig zurück.
„Ja.“ Ich muss dringend etwas anderes finden. Die Preisträgerlisten. Hoffentlich hat der Buchhandelsverband sie geschickt.
„Schreiben Sie es“, sagt Verhofen. „Wer weiß, in welcher Zeitung es morgen ohnehin steht. Und: Wir können ja immer noch sagen, Sie hätten die Informationen von jemand anderem bekommen und haben mir den Text nur zum Gegencheck geschickt.“
„Darüber sollten
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