Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
Stammplatz besetzt war.
Robert hatte sich automatisch ein wenig zurückgezogen, nachdem er erkannte, wer sich knutschend in ihrer Ecke befand.
Klatschend landete Julias Hand in Steffens Gesicht, der sich gerade umgesehen hatte und dadurch von der Frau abließ, die nicht Gitte war.
„Wenn du Gitte davon erzählst, dann bringe ich dich um“, sagte Julia, während die fremde Frau sie geradezu belustigt ansah.
„Ich kann das erklären …“, sagte Steffen.
„Ach ja, da bin ich mal gespannt auf die Geschichte, wie zufällig deine Zunge in die Tiefen dieser Frau kommen konnte. Und erzähl mir nicht, du wolltest lediglich ihre Mandeln überprüfen. Du bist nämlich gar kein HNO-Arzt.“
Steffen sah nicht gut aus. Julia glaubte, er würde jeden Moment zusammenbrechen. In seinem Gesicht schien keine Farbe eine Chance zu haben. Seine Augen zierten dunkle Schatten, die insgesamt eher glasig wirkten. Wahrscheinlich hatte er wieder eine sechsunddreißig Stunden Schicht hinter sich gebracht. Aber warum saß er in einer Kneipe, weit weg von zu Hause, anstatt sich an Gitte zu kuscheln und zu schlafen?
„Das ist einfach so passiert. Ehrlich, das war keine Absicht. Sie hat mich quasi verführt.“
„Also, hör mal“, sagte die Fremde, „du hast doch mich geküsst.“
„Nein“, sagte Steffen viel zu laut, „so war das nicht. Aber ich habe ehrlicherweise deinen Kuss erwidert.“
„Steffen“, sagte Julia, die langsam richtig Mitleid mit ihm bekam.
„Sie ist eine alte Bekannte, du weißt, von früher.“
„Nein, weiß ich nicht.“
„Jeder hat doch so alte Bekannte, oder etwa nicht?“
Robert nickte wissend und musste anfangen zu lachen, woraufhin Julia ihn mit dem Ellenbogen in die Seite boxte, als ob sie das Recht hätte sich über derlei Dinge aufzuregen.
„Sie hat einen Onkel im Krankenhaus besucht und ich bin rein zufällig der behandelnde Arzt. Wir haben uns lange nicht gesehen und, na ja, du weißt schon, ich war mal echt in sie verknallt.“
„Und das ist dann Grund genug Gitte zu betrügen?“
„Ich habe sie nicht betrogen.“
„Steffen, lass uns gehen“, sagte die Fremde.
„Du hältst jetzt mal schön die Klappe“, herrschte Julia sie an.
„Wie redest du denn mit mir, du blöde Schlampe?“
„Jetzt reicht’s mir aber“, sagte Julia, „Steffen, du gehst jetzt nach Hause und wirst Gitte nie davon erzählen, haben wir uns verstanden?“
Ohne etwas zu sagen, war Steffen aufgestanden, blickte ein letztes Mal zu seiner Bekannten, murmelte so etwas wie eine Entschuldigung und war verschwunden.
„Na toll“, sagte die Frau, die offensichtlich mehr werden wollte, als eine Bekannte zu sein, „das hast du ja super hingekriegt.“
„Robert, wir gehen.“
Dieser Tag entwickelte sich alles andere als nach einem erholsamen und entspannten Samstag. Inzwischen waren Julia und Robert in seiner Wohnung angekommen, ohne zuvor in der Kneipe etwas getrunken zu haben. Dafür waren sie auf dem Weg im Supermarkt eingekehrt und hatten dort nicht nur Alkohol in Form von Wein und einer Flasche Wodka erstanden, sondern zudem einige Lebensmittel für ein Abendessen.
Julia war bedient und wollte nun nirgends mehr hingehen, wo man auf Menschen treffen konnte. Sie hatte bedenken, die sie natürlich für sich behielt, dass sie auf weitere Männer treffen könnte, die ihr nicht unbekannt waren.
Während Julia mit einem Glas Wodka in der Hand vor Roberts Computer saß und er in der Küche ein Abendessen vorbereitete, dachte sie über das Wort Schlampe nach.
Ganz sicher hatte die Fremde recht mit ihrer Behauptung, auch wenn sie damit etwas anderes gemeint hatte. Aber Julia war eine Schlampe. Eine ganz widerliche. Tiefe Abgründe taten sich auf, die sie erst jetzt zu bemerken schien. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
Das alles war die gerechte Strafe. Wer war sie, dass sie Steffen verurteilte? Und doch war sie wütend auf ihn. Das hatte Gitte nicht verdient. Niemand hatte das verdient. Auch nicht Robert, der sich so wundervoll ihr gegenüber verhalten hatte.
Wärmend floss der Wodka ihre Kehle hinunter. Aber das allein war es nicht, was sie wärmte. Ein tiefes Gefühl der Zuneigung wuchs in ihr. Robert war der beste Freund, den sich eine Frau wünschen konnte und ein phantastischer Liebhaber. Warum um alles in der Welt war sie so verrückt geworden und betrog ihn immer und immer wieder?
Aber um jemanden zu betrügen, musste man ein Paar sein. Und sie waren kein Paar. Sie liebten sich
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