Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
Kaffee in ihrem Becher auf den Fußboden kleckerte. Unter normalen Umständen hätte sie unmittelbar einen Lappen zur Hand genommen und das Missgeschick beseitigt. Dafür war keine Zeit. Ungeduldig schlug sie das erste Magazin auf und suchte nach den Seiten, die ihr Erfüllung bringen sollten.
Demnach, was die Redaktion hier mitteilte, sollte es kein Problem sein , in nur einer Woche das Traumgewicht zu erlangen. Aufmerksam las sie, was sie dafür tun musste. Das kam ihr beinah lächerlich vor, denn Gitte hatte ihr bisher ähnliche Anweisungen gegeben.
Von Zeitschrift zu Zeitschrift änderten sich die Zutaten. In einer durfte sie Unmengen an Tomaten essen, eine andere verzichtete am Abend auf Kohlenhydrate. In einem waren sich jedoch alle einig: Bewegung gehörte zum gesunden abnehmen dazu.
Die spinnen, entschied Julia und legte die Magazine zur Seite, um sich nun endlich der intellektuellen Lektüre anzunehmen. Sie las schon eine Weile in einem Bericht über ein neu erschienenes Buch, aber sie hätte weder sagen können, wer das Buch geschrieben hatte, noch worum es darin überhaupt ging.
In Gedanken war sie noch immer bei den bunten Bildern der Boulevard-Unterhaltung. Nach einer halben Stunde entschied sie, es hätte keinen Zweck mehr, sich auf gehobenen Journalismus zu konzentrieren. Missmutig blätterte sie die Seiten einer Zeitschrift, die unter anderem auf die aktuelle Sommermode hinwies.
Obwohl es ihr zuwider war, merkte sie dennoch, wie sie die Seiten immer langsamer umblätterte und sie sich alles genauestens ansah. Früher wäre ihr das alles viel zu oberflächlich gewesen, dabei wollte sie schon immer so sein, wie die Frauen auf die sie nun geradezu neidisch blickte. Sie waren so unglaublich schön, wirkten kultiviert in ihren bunten Sommerkleidern und den dazu passenden hohen Schuhen.
Julia ertappte sich dabei, wie ihre Gedanken darum kreisten, dass sie, sollte sie jemals abnehmen, ihren Kleidungsstil ändern würde. Als sie die Seiten über Kosmetik erreichte , war sie überrascht, was findige Stylisten in der Lage waren aus unscheinbaren Frauen herauszuholen.
Zu ihrer großen Freude gab es sogar eine Anleitung. Mit einer der Zeitschriften in der Hand ging sie ins Badezimmer und schaute in den Spiegel. Ihr Gesicht schien einer Katastrophe gleich zu kommen. Noch nie hatte sie ihre Augenbrauen gezupft und generell nahm sie es mit der Pflege ihres Gesichts nicht so genau.
Sicher, sie wusch sich mit Seife morgens und abends und auch eine Feuchtigkeitscreme hatte sie in Gebrauch. Aber laut Aussage einer Kosmetikerin, kam alles, was sie bisher getan hatte einem Weltuntergang gleich. Wie hatte sie überhaupt dreißig Jahre alt werden können?
Julia öffnete eine Schublade, in der sie Lidschatten und Wimperntusche verstaute, beides allerdings ausschließlich gebrauchte, wenn sie abends schick ausging, was so gut wie nie vorkam. Sie sah in das Heft in ihrer Hand und wieder in die Schublade und schüttelte mit dem Kopf. So würde das nichts werden. Sie musste dringend einkaufen. Am Nachmittag würde sie das erste Mal in ihrem Leben eine Parfümerie betreten und sich beraten lassen.
Mit einem zweiten Gesicht und einer beträchtlich geringerer Summe auf ihrem Konto betrat sie am Abend ihre Wohnung. Im Spiegel im Flur konnte sie sich kaum wieder erkennen. Da starrte sie eine dicke Frau mit einem umwerfenden Augenaufschlag an. Die nette Frau in der Parfümerie hatte ihr geraten sich professionell die Augenbrauen zupfen zu lassen und vermittelte ihr sofort einen Termin in der angrenzenden Beauty-Abteilung.
Hätte Julia geahnt mit welchen Schmerzen das verbunden sein würde, sie hätte dem niemals zugestimmt. Nun brannte ihre Haut, war zudem leicht geschwollen und gerötet. Man hatte versucht mit einem entsprechenden Makeup das Schlimmste zu überdecken. Mit einem weiteren Termin in vier Wochen hatte Julia den Heimweg angetreten.
Zufrieden ging sie in die Küche. Der erste Schritt in ein besseres Leben hatte begonnen. Auf dem Küchentisch türmten sich herumliegende Zeitschriften, die sie an den Stellen aufgeblättert zurückgelassen hatte, die sie am meisten beeindruckte. Während sie dabei war sich eines der Diät-Rezepte zuzubereiten, fiel ihr Blick immer wieder auf den Tisch.
Noch bevor sie anfing zu essen, setzte sie sich und riss die aufgeschlagenen Seiten heraus. Immer schneller blätterte sie und minimierte mehr und mehr den Seitenumfang der Zeitschriften, bis eine lose Zettelsammlung und einige
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