Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben macht Sinn

Leben macht Sinn

Titel: Leben macht Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
Vom Netzwerk:
›wenigstens bin ich sauber‹ und geht trotzdem aus.
    Mit 50 Jahren: Sie schaut sich an und sieht ›Ich bin‹, und geht dorthin, wo sie hingehen will.
    Mit 60 Jahren: Sie schaut sich an und denkt an all diejenigen, die sich nicht mehr im Spiegel sehen können, geht aus und erobert die Welt.
    Mit 70 Jahren: Sie schaut sich an und sieht Weisheit, Lachen und Können, geht aus und genießt das Leben.
    Mit 80 Jahren: Sie hat keine Lust mehr zu schauen. Setzt sich einen violetten Hut auf, geht aus und amüsiert sich köstlich.
Männersinn
    Stellvertretend für die Männer möchte ich Woody Allen sprechen lassen: »Ich wurde gerade 60. Praktisch ein Drittel meines Lebens ist nun vorbei.« Der allmähliche Rückzug aus dem Wettbewerb und Stress des Alltags, die Selbstbefreiung aus den Schraubstöcken der Verpflichtungen – vielleicht ergeben diese Entlastungen die mit 60 beginnende späte Freiheit, man selbst zu sein, bisher ungenutzte Potenziale zu entfalten und neue Sinnsetzungen umzusetzen.
    Vielleicht sollten sowohl Frauen als auch Männer den violetten Hut einfach früher aufsetzen. Das würde uns allen so manchen Kummer ersparen. Jedenfalls lese ich diese Zeilen mit etwas Wehmut, denke an die Unbefangenheit und Selbstverständlichkeit, mit der wir Kinder unsere Träume und Zärtlichkeiten in Wasser, Sand, Erde und Knetmasse modelliert haben, an die Überfülle von Gefühlen und Unsicherheiten der Jugendzeit, die allmählich zu Lebens- und Selbsterfahrungen übergehen, die den Blick auf das Leben schärfen, ihm Prägnanz und Intensität geben. »Heute bedarf es nicht mehr einer himmelstürmenden Liebe, um mir eine Hochstimmung zu bescheren. Meine beruflichen Erfolge finde ich zwar beruhigend, aber sie werfen mich nicht mehr vom Hocker«, so erlebt es eine Freundin, die die Gabe hat, die spannendsten Bilder zu sehen, die sich ihr eigener Blick rahmt. Eine zerknitterte Serviette, eine Wolkenformation, ein Stein, all dies offenbart sich ihr und wird zu einer Geschichte. Lauter kleine Wunder, die wir wahrscheinlich früher nicht einmal bemerkt hätten.
    Wachheit für den eigenen Weg und Neugier sind die beiden Geigen, die zum Tanz aufspielen, wenn es um dieimmer reicher werdende Melodie unserer Sinngebungen geht. Ich meine hier nicht die Neugier, die beim Nachbarn ins Fenster schauen will, sondern die gesunde Neugier gegenüber sich selbst und den anderen im Sinne des Verstehenwollens, Mitfühlens und des Lernens. Die Neugier, die nicht vom Schulabschluss abhängt, sondern von der Offenheit, die wir uns hinübergerettet haben aus Kinderzeiten, als wir noch ohne Vorurteile alles schmecken, berühren, anschauen und hören wollten. Im glücklichen Fall gibt es mit den Jahren einen Zuwachs an Sinn, so dass die neuen Sinngebungen die alten auf einem anderen Niveau mit einschließen, korrigieren und erweitern – bis wir schließlich bereit sind, den violetten Hut aufzusetzen.

Gefühle der Sinnlosigkeit
    Um die Lebensmitte verändert sich die Perspektive. Eine der unsanften Erschütterungen ist der Zusammenbruch des stillschweigenden Kontraktes mit der Welt. Plötzlich platzt die Illusion, dass, wer positiv und optimistisch eingestellt ist, vom Leben belohnt wird, positive Dinge erfährt und sich alles von selbst einrenkt. Stattdessen erinnern Schicksalsschläge, Krankheiten, Niederlagen an die eigene Verwundbarkeit, und mitunter fügen wir selbst unnötiges Leid noch hinzu. Das Älterwerden konfrontiert uns oft auf schmerzliche Art, dass man sein Leben nicht vollständig in der Hand hat, dass man hilfloser ist, als es einem lieb ist. Trotz bester Vorsätze zerbrechen Beziehungen, platzen Träume, entschwinden Chancen. Erlittenes und Selbstverschuldetes erschüttert nicht nur das Selbstbild, sondern mitunter auch das gesamte Weltbild. »Plötzlich musste ich kapieren, dass nicht nur ich, sondern auch mein Gott ein Riesen-Weichei ist«, so die flott formulierte Erkenntnis einer Theologiestudentin, die schlagartig erkannte, dass nicht jedes Scheitern nur Pech und dass man als Erwachsene ganz schön allein ist, weil niemand anders da ist, der einem die Verantwortung abnehmen kann.
    In der Lebensmitte verschärft sich dieses Gefühl, wenn die bisherige Verankerung im Sinn durch das Engagement für andere und in vertrauten Seinsweisen oder Lebensaufgaben den Wogen der Verlustgefühle nicht mehr standhält.
    Weniger ist es wohl die Frage nach dem Sinn des Lebens im Allgemeinen, die Menschen dann umtreibt, als vielmehr ganz

Weitere Kostenlose Bücher