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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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bevor die Firma Puls da war. Wir schlugen alles kaputt, so dass es für die Deutschen nicht mehr zu gebrauchen war.« Jan Meijer, damals 17 Jahre alt, fügt seinen Erinnerungen hinzu: »Natürlich nahm ich auch mal eine Kleinigkeit mit, keine wertvollen, sondern kleine Dinge, die ein Kind gut findet.«
    Mitte August, als immer weniger Juden dem Aufruf zum »Arbeitseinsatz« folgten und die Straßen-Razzien nicht viel brachten, wurden die verantwortlichen deutschen SS -Führer von Amsterdam zu ihren Chefs nach Den Haag zitiert: Eichmann in Berlin erwarte größere Anstrengungen. An der Jahresquote von 40   000 Deportierten werde nicht gerüttelt. Der neue Plan der Besatzer für die Amsterdamer Deportationen: Der Überraschungseffekt muss größer werden. Die Juden sollen ohne schriftliche Mitteilung direkt abends in ihren Wohnungen aufgegriffen und mitgenommen werden. Am Mittag des 2. September teilten die Besatzer dem Amsterdamer Polizeichef Tulp mit, dass unter deutschem Oberbefehl die Amsterdamer Ordnungspolizei noch am gleichen Abend erstmals an einer Juden-Aktion teilnehmen müsse. Tulp gab entsprechende Befehle an seine Mitarbeiter weiter und erwartete vollen Einsatz.
    Die Polizisten moserten. Seit Januar 1942 wurden für Aktionen nach Dienstschluss keine Überstunden mehr bezahlt. Auch die Sache selbst ließ sie zögern. Sie kannten sich aus in den jüdischen Vierteln, weil sie dort Streife gingen. Sie wussten oder fühlten: Was mit den Juden während der Besatzung geschah, war nicht recht. Aber was konnte der einzelne dagegen tun – nichts. Die Polizisten beschlossen, am Abend bei der Razzia so feinfühlig wie möglich vorzugehen. Das war immer noch besser, als wenn deutsche Rüpel die niederländischen Juden aus ihren Wohnungen zerrten.
    Am 2. September 1942 waren bei der groß angelegten Deportation Amsterdamer Juden im Einsatz: die »Grünen«, deutsche Polizisten vom Polizeibataillon 68, seit Juli 1941 in der niederländischen Hauptstadt stationiert, dazu die »Schwarzen«, junge Männer vom Schalkhaarder Polizeibataillon, in Amsterdam kaserniert und mit NS -Gedankengut infiziert, und drittens ganz normale Amsterdamer Streifenpolizisten. Denen waren die Namenslisten und Adressen der Juden, die sie abholen sollten, erst gegen 19 Uhr mitgeteilt worden, damit jüdische Freunde und Bekannte nicht mehr gewarnt werden konnten. Gegen 20 Uhr setzten sich die Mannschaften in Bewegung, fuhren oder marschierten zu den zentralen Sammelplätzen im alten Judenviertel und in Amsterdam Zuid: Daniel Willinkplein, Krugerplein, Jonas Daniel Meijerplein. Dann klingelten vor allem die normalen Amsterdamer Polizisten an den Wohnungen der betroffenen Juden, teilten ihnen mit, dass sie zum »Arbeitsdienst« in Deutschland eingeteilt seien und sofort mitkommen müssten.
    Jeder hatte rund zehn Minuten Zeit, einen Koffer »für die Reise« zu packen. Dann wurde die Wohnung abgeschlossen und die Amsterdamer Polizisten übergaben die Juden an der jeweiligen Sammelstelle den Kollegen vom Polizeibataillon oder den »Grünen«, die sie mit Polizeiwagen zur Joodse Schouwburg oder zur Zentralstelle für jüdische Auswanderer fuhren. Um die zurückgebliebenen Haustiere kümmerte sich noch in der gleichen Nacht ein Amsterdamer Verein von Tierfreunden. Die Polizisten, die die Menschen aus den Häusern holten, nahmen auch die Wohnungsschlüssel an sich. Am nächsten Morgen übergaben sie die Schlüssel den Mitarbeitern der ZjA , deren Kollegen von der Hausraterfassung sich sofort an ihre Räuber-Arbeit machten.
    Nach diesem Einsatz trafen sich am 6. September Amsterdamer Polizisten, die an den Aktionen teilgenommen hatten, mit ihren Kollegen zum sonntäglichen Polizeisport. Es gab nur ein Thema, und es wurde heftig diskutiert. Dass so viele Alte und Kranke abtransportiert wurden, die unmöglich zum »Arbeitsdienst« eingesetzt werden konnten, hatte die Polizisten stutzig gemacht. Zwei bisher noch nicht betroffene Inspektoren erklärten in dieser Runde, sie würden ähnliche Befehle verweigern.
    An diesem Wochenende schrieb einer der beteiligten Polizisten unter Pseudonym einen Brief an den Amsterdamer Generalstaatsanwalt, der zugleich für die Polizei zuständig war: »Wie viele andere aus unserem Korps bedrücken mich in den letzten Tagen Lasten, die uns auferlegt werden, und die ich meiner Pflicht getreu nach Ehre und Gewissen erfüllen will. Es widerstrebt uns, was wir tun müssen, und wir verrichten es mit blutendem Herzen. Die

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