Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
Mitkämpfer fünf Zeitbomben angebracht, die alles in Brand setzen sollten, nachdem die Gruppe den Tatort verlassen hatte. So geschah es, gegen Mitternacht brannte das Gebäude lichterloh.
    Am Sonntag schreibt Mirjam Levie: »Heute will ich mal mit etwas Gutem beginnen. Das Einwohnermeldeamt ist heute nacht abgebrannt … Auf jeden Fall ist es Sabotage … Wenn sie nur keine Geiseln erschießen.« Später am Tag wird sie von einer »Pilgerfahrt« der Amsterdamer schreiben, um in die Nähe des Tatorts zu kommen: »Ein richtiges Volksfest, unter anderem sogar mit einem Blumenstand.« Dann wird sie nachdenklich: »Wirklich gut. Nur glaube ich nicht, dass es viel bringen wird, denn niemand weiß, ob die richtigen Papiere verbrannt sind …« Auch der Amsterdamer Hendrik Jan Smeding notiert in seinem Tagebuch, dass die Menschen in die Plantage Kerklaan zogen, als ob es eine Kirmes oder ein Fest gäbe: »Aber viele fanden es unnötig und sinnlos, und sie haben Angst vor den Folgen …« Der Geschichtslehrer bleibt realistisch: Den Krieg werde man durch solche Taten nicht gewinnen. Doch dann meldet sich der patriotische Stolz und bewertet den Anschlag als ermutigendes Zeichen: »Immerhin beweist es, dass wir nicht alles schlucken, nicht ganz wehrlos sind, und dass der Widerstand eine organisierte und perfekt vorbereitete Form annehmen kann.« Tatsächlich war der Anschlag kein Erfolg, weil nur rund fünfzehn Prozent des gesamten Bestandes an Meldekarten verbrannten.
    Der Preis an Menschenleben und Leid für diesen Akt des Widerstandes war schrecklich. Am 18. Juni 1943 ist der Prozess gegen die Attentäter und ihre Helfer im Kolonialinstitut. Verkündet werden vierzehn Todesurteile, zwölf davon, darunter auch an Willem Arondeus und Rudi Bloemgarten, werden am 1. Juli per Exekution in den Dünen von Overveen vollstreckt. Zwei Todesurteile wurden in Lebenslänglich umgewandelt, die übrigen Angeklagten erhielten lange Gefängnisstrafen, zum Teil in deutschen Lagern. Gerrit van der Veen, den die Deutschen nicht zu fassen bekamen, wechselte die Adresse, richtete sich mit seiner Fälschungswerkstatt im Dachgeschoss an der Herengracht 554 ein und arbeitete rastloser denn je, denn die Nachfrage nach gefälschten Papieren stieg. Je brutaler die Deutschen im späten Frühling und Sommer 1943 gegen Juden, Studenten und Männer vorgingen, die zum Arbeitsdienst nach Deutschland gezwungen werden sollten, um so mehr der Gejagten versuchten, im besetzten Land unterzutauchen.
    Vom Ort des Brandanschlags in der Plantage Kerklaan sind es vielleicht drei Minuten bis zur Hollandsche Schouwburg in der Plantage Middenlaan, die unter den Besatzern als Joodse Schouwburg erst zum kulturellen Getto und ab August 1942 zum »Umschlagplatz« für die Juden auf dem Weg nach Westerbork und Auschwitz wurde. Ende März hielten die Deutschen nach Razzien rund 1300 Menschen im leergeräumten Theater gefangen, für die es zwei Herren- und drei Damen-Toiletten gab. Kein Vergleich zum Herbst 1942, als die hier registrierten Juden umgehend ins Lager Westerbork transportiert wurden.
    »Massen und Massen von Menschen werden auf- und gegeneinander gedrückt, und wir werden von einer Ecke in die andere geschleudert … Immer mehr Transporte werden hineingebracht und ich frage mich, was mit allen diesen Menschen passieren soll … Alte, behinderte, lahme und blinde Menschen, meist um die 90 Jahre. Einer noch hilfsbedürftiger als der andere. Sind die zum Arbeitsdienst aufgerufen? So heißt es doch immer.« Die gelernte Näherin Klaartje de Zwarte-Walvisch, 1911 in Amsterdam geboren, war seit dem 23. März Gefangene der Deutschen in der Joodse Schouwburg. Sie gehört zu den ganz wenigen jüdischen Opfern, die inmitten dieser bedrückenden Zustände aufschrieben, was sie erlebten und deren Tagebuch sich erhalten hat.
    Am 22. März hatten zwei Männer an ihrem Haus in der gutbürgerlichen Tweede Oosterparkstraat geklingelt. Kaum in der Wohnung, befahlen die beiden Niederländer dem jüdischen Ehepaar mitzukommen. In der Nachbarschaft saßen Nachbarn auf dem Balkon in der milden Frühlingssonne. Nach einer Nacht in einem mit jüdischen Gefangenen überfüllten Saal der Zentralstelle für Jüdische Auswanderung, wurden Klaartje de Zwarte-Walvisch und ihr Mann in die Schouwburg überwiesen.
    An den Essens-Kosten, die der Jüdische Rat all die Monate für die Juden in der Schouwburg zahlte, lässt sich ablesen, dass das Gebäude Ende März, Anfang April total

Weitere Kostenlose Bücher