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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Die »große Masse« lebe, »als ob wir nicht alle in einen Kampf auf Leben und Tod« verwickelt wären; sie bevölkere die Kinos, obwohl dort deutsche Filme laufen. Ebenfalls ungebrochen war die Begeisterung der Amsterdamer für das Theater Carré: »Muziek en Rhytme« hieß die umjubelte Mai-Revue mit dem Show-Orchester Boyd Bachman, Conny Stuart, der bekannten Radiosängerin und vierzig weiteren Mitwirkenden. Die Sportveranstaltungen im Olympiastadion waren weiterhin gut besucht. Bei Leichtathletikwettbewerben der Frauen Ende Mai verbesserte die fünfundzwanzigjährige Fanny Blankers-Koen den Weltrekord im Hochsprung auf 1,71 Meter.
    14. Mai – Die Besatzer geben bekannt: Amsterdam wird ab sofort für die Juden zur verbotenen Stadt. Alle Juden in der Hauptstadt, die nicht für den Jüdischen Rat arbeiten und deshalb keine »Sperre« für den »Arbeitsdienst in Deutschland« haben, sollen sich am 20. Mai zwischen 6 und 16 Uhr in der Kaserne am Polderweg einfinden. Von dort wird der Transport direkt ins Lager Westerbork gehen. Die Aufforderung der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, ZjA , betrifft rund 9000 Menschen. Von ihnen erscheinen am 20. Mai genau 943 mit Rucksack und Koffern am Polderweg zur Deportation.
    Der Kopf der Zentralstelle, SS -Führer Ferdinand aus der Fünten, tobt und knöpft sich noch am gleichen Abend die Führer vom Jüdischen Rat vor. Wie der Jüdische Rat reagiert, hält das Protokoll der 94. Ratssitzung vom 21. Mai fest: »Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung und teilt mit, dass die deutschen Behörden heute Morgen angeordnet haben, dass sich am kommenden Dienstag 7000 Menschen durch Vermittlung des Jüdischen Rates zum Transport nach Westerbork melden müssen.« Die Sitzung wird für fünf Minuten unterbrochen. Danach »wird mitgeteilt, dass sich der Jüdische Rat entschlossen hat, die Anordnungen auszuführen«. Klar ist auch, dass der Jüdische Rat seine Mitarbeiter nicht mehr schützen kann: »… ein Teil des Jüdischen Rates wird eine Aufforderung zum Arbeitseinsatz erhalten«. Man solle sich darauf vorbereiten, »bald bereit sein zu müssen«. Das betrifft auch die Lehrer am Jüdischen Lyzeum, die bisher unter dem besonderen Schutz des Jüdischen Rates standen.
    Mirjam Levie, die als Mitarbeiterin alles unmittelbar im zentralen Büro des Jüdischen Rats an der Nieuwe Keizersgracht miterlebt, schätzt, dass die 7000 Aufforderungen zum Transport, die die Deutschen verlangen, etwa sechzig Prozent des Jüdischen Rates treffen werden: »… alles Personen, die man gut kennt. Und dann … die Eltern!« Wer eine »Sperre« vom Jüdischen Rat hat, dessen Eltern waren bisher automatisch vor dem Transport geschützt. Alle Abteilungen des Rats werden aufgefordert, sofort Listen mit den Personen ihres Bereichs zu erstellen, die sich am kommenden Dienstag zum Transport nach Westerbork melden sollen.
    Von deutschen Wegweisern umstellt: Alltag auf dem Dam 1943.
    In den Büros des Jüdischen Rates ( JR ) spielen sich an diesem Wochenende erregte Szenen ab. Sekretärinnen bekommen Nervenzusammenbrüche, als sie die Aufforderungen für die eigenen Eltern schreiben müssen. So hart prallen die Meinungen aufeinander, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt, und die Polizei gerufen werden muss. Am Sonntagmorgen geht Mirjam Levie morgens um elf nach Hause, um ein wenig zu schlafen. Sie bekommt einen Weinkrampf, »weil ich wusste, dass es uns schlecht ergehen würde und ich es so furchtbar fand, dass sich der JR wieder für diese Henkersarbeit hergab und nicht erklärte: Es ist jetzt doch aus und vorbei, macht euren Dreck allein!« Nach zwei Uhr ist sie wieder im Büro und muss »im Auftrag der hohen Tiere alle persönlichen Freunde von der (vorläufigen) Aufforderungsliste streichen … Ich heulte fast vor Wut und Ärger, aber ich konnte nichts dagegen tun.« Jeder versucht, Einfluss zu nehmen, sich und seine Familie zu retten.
    25. Mai – Von 7000 Amsterdamer Juden, die sich auf Befehl der Besatzer und nach dem Aufruf des Jüdischen Rates am Abend am Polderweg einfinden sollen, sind rund 1600 erschienen. Die Deutschen haben damit gerechnet und alles für einen überraschenden Überfall vorbereitet.
    26. Mai – Die Großrazzia im Zentrum Amsterdams beginnt um Mitternacht. Deutsche Ordnungspolizei, die »Grünen«, steht bereit, ebenso das niederländische Polizeibataillon der gefürchteten »Schwarzen«. Gegen Abend hatte man die Polizisten im Roxy-Theater in der Kalverstraat mit

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