Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
Papier ein und nahm es mit.
    Die Verhafteten kamen einen Tag zur Sicherheitspolizei in die Euterpestraat, dann in die Haftanstalt Weteringschans. Am 8. August 1944 wurde Anne Frank mit ihrer Familie und den anderen Bewohnern vom Hinterhaus zum Amsterdamer Hauptbahnhof gebracht. Mit weiteren aufgespürten untergetauchten Juden brachte der Zug sie am gleichen Tag ins Lager Westerbork.
    Aus wenigen fröhlichen Junitagen, als die Alliierten in der Normandie gelandet waren und die Befreiung so nahe schien, war ein deprimierender, trauriger Sommer geworden. Anfang September ziehen die Mitarbeiter vom Amt für Nahrungsmittelversorgung Bilanz: Die Getreidevorräte in Amsterdam reichen noch für maximal vier Wochen; der schrumpfende Kohlevorrat gefährdet zusehends die Versorgung mit Gas und Elektrizität. Doch wieder werden von einem Tag auf den anderen alle Sorgen weggewischt, die trüben Gedanken im Nu verscheucht von den Nachrichten, die aus den versteckten Radioempfängern kommen:
    3. September, ein Sonntag – Die Armeen der westlichen Alliierten sind in Brüssel einmarschiert.
    4. September – Die Deutschen sind aus Antwerpen vertrieben, Belgien ist befreit. Die alliierten Soldaten stehen an der Grenze zu den Niederlanden. Und am Abend kommt aus London über Radio Oranje die erlösende Meldung: Breda in der südlichen Provinz Brabant, die Stadt mit besonderen Beziehungen zum Haus Oranien seit Jahrhunderten, ist frei. Endlich scheint die seit viereinhalb Jahren oftmals enttäuschte Hoffnung wahr zu werden: Für die besetzten Niederlande hat die Stunde der Befreiung geschlagen.

XIV
    Die Besatzer flüchten – Die Alliierten bleiben aus – Die Eisenbahner streiken – Rhein-Übergang misslingt – Wieder unter deutscher Gewalt
    4. bis 24. September 1944
    Wie nie zuvor in den vergangenen viereinhalb Besatzungsjahren ist Amsterdam am Abend des 4. September 1944 eine geteilte Stadt. Die Amsterdamer hängen am Radio und können gar nicht genug bekommen von den optimistischen Berichten aus London über die Offensive der Alliierten im Süden. In den dunklen Straßen rufen sich die Menschen die guten Nachrichten zu. Die Journalisten in den Amsterdamer Redaktionen der illegalen Zeitungen schreiben unter Hochdruck die Texte für die Extrablätter zur Befreiung. Währenddessen verhängt der oberste deutsche Besatzer, Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart, über Amsterdam den Ausnahmezustand. Jeder muss weiterhin seine Arbeit tun; auf feindliche Aktionen stehen schwere Strafen; das Ausgangsverbot wird auf 20 Uhr vorgezogen. Und »Flüchten ist verboten.«
    Was für eine absurde Umkehrung der aktuellen Verhältnisse. Es sind die Amsterdamer, die darauf brennen, endlich wieder ihre Stadt in Besitz zu nehmen, und im Traum nicht ans Flüchten denken. Es sind die Besatzer, die am Abend des 4. September, einem Montag, fluchtartig die Hauptstadt verlassen. Die Mitarbeiter in den Amsterdamer Büros der deutschen militärischen und zivilen Institutionen raffen hastig die Aktenbestände zusammen, Lastwagen und Autos werden vollgeladen und fahren kolonnenweise in Richtung Osten, von Wagen mit Geschützen begleitet. Kein »grüner« deutscher Polizist zeigt sich mehr auf den Straßen.
    5. September – Amsterdam ist wie ein Bienenhaus. Dass die verhassten Besatzer fliehen und sich dafür auch noch städtische Busse nehmen, kümmert die Amsterdamer nicht. Sie strömen, Blumen im Arm, niederländische Flaggen in den Händen und überall die Farbe Orange, auf die Straßen und in Richtung Westen, denn aus Haarlem sollen die Alliierten in die Stadt marschieren. In den Auslagen der Geschäfte liegen Fotos von Königin Wilhelmina. Die Flugblätter der illegalen Zeitungen, die an diesem Morgen in Amsterdams Straßen verteilt werden, feuern die Hochstimmung der Bevölkerung weiter an und geben konkrete Empfehlungen für einen festlichen Empfang der Befreier. Es ist in vieler Hinsicht ein »doller« (verrückter) Dienstag.
    »Die Befreiungsarmeen haben die Grenze überschritten!« heißt der Titel des Flugblattes von Het Parool. »Breda, Tilburg, Roosendaal und Maastricht sind schon befreit! Die glorreiche Deutsche Wehrmacht ist geschlagen und auf der Flucht.« Es sei der Augenblick gekommen, eine binnenländische Armee zu formen: »Waffen bekommen wir von unseren Bundesgenossen; die Flugzeuge der RAF (die britische Luftwaffe) werfen Gewehre, Munition, Geschütze im ganzen Land ab. Als allgemeines Erkennungszeichen gilt ein Band am Handgelenk

Weitere Kostenlose Bücher