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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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faschistischen Import aus Deutschland, den man im Keim ersticken müsse. Es war Wahlkampf. Das Ergebnis der Provinz-Wahlen Mitte April 1935 schockierte die Niederlande: Gewinner war die NSB , die aus dem Stand landesweit im Durchschnitt 7,9 Prozent der Stimmen erhalten hatte und besonders in den großen Städten erfolgreich war. Am Regierungssitz Den Haag bekam sie 12,02 Prozent, in der Hauptstadt Amsterdam 10,8 Prozent. Mittelständler, Bauern und begüterte Bürger hatten sie gewählt. Im Juni zählte die NSB rund 43   000 Mitglieder.
    Im gleichen Monat noch tat sich ein Komitee zusammen, um entschieden für die Demokratie zu werben und gegen alle rechten und linken Extreme im Land Flagge zu zeigen, vor allem aber gegen die NSB . »Einheit durch Demokratie« ( EDD ) war Name und Programm; ein achtundzwanzigjähriger Pastor der Reformierten Kirche stand an der Spitze. Schon in den ersten zwölf Monaten konnte die EDD rund 10   000 Mitglieder gewinnen.
    Doch die niederländischen Nationalsozialisten fühlten sich von einer Welle des Erfolgs getragen. Aggressiv warben NSB -Mitglieder an zentralen Plätzen und Straßen Amsterdams für das Partei-Blatt »Volk und Vaterland« oder fanden sich zu Fahrrad-Rudeln zusammen, um den Verkehr in der Innenstadt zu stören.
    Es gab Bereiche, wo die NSB – bei aller Abgrenzung der Kirchen – christliche Verbündete fand. Mit christlichen Gruppierungen und den konfessionellen Parteien wetterte die radikale Rechte gegen die Verrohung der Sitten durch die moderne Massenkultur. Filme, Jazz- und Tanzmusik aus Amerika, freizügige Revuen aus Paris und kesse Schlager aus dem Berlin der zwanziger Jahre waren ihnen ein Gräuel. Aber entgegen ihrem lautstarken Auftreten hatten die Untergangspropheten die Menschen in der Hauptstadt nicht hinter sich. Die Mehrheit der Amsterdamer hatte sich längst für die weltoffene internationale Unterhaltungskultur entschieden. Das Jahr 1936 brachte neuen musikalischen Import aus der Neuen Welt, der sofort Anklang fand.
    In Amsterdam öffneten die ersten »schwarzen Klubs«, zuerst der Kit Kat Club, wo Coleman Hawkins aus Missouri, unerreichter Meister auf dem Tenorsaxophon, auftrat. Noch beliebter wurde der Negro Palace, denn er lag zentral am Thorbeckeplein, der sich fast nahtlos an den Rembrandtplein anschließt. Negro Palace warb mit der Attraktion seines »weltberühmten Negerpianisten«. Die offiziellen Tugendwächter waren alarmiert. Beide Klubs seien eine »Gefahr für die öffentliche Sittlichkeit« und zumal für junge Mädchen eine »sexuelle Attraktion«. Das schrieb Amsterdams Polizeichef im Dezember 1936 an den Bürgermeister und fuhr fort: »Vor allem das Auftreten des Bandleaders versetzt den Besucher in den Zoo.« Doch während man die Gesichter der Affen im Zoo noch schätzen könne, sei der »Auftritt dieser Menschenaffen nur noch eklig anzusehen«.
    Der Bürgermeister handelt im Sinne seines obersten Polizisten und fordert die Klubs auf, alle »Neger« umgehend zu entlassen, sonst würden ihre Konzessionen entzogen. Negro Palace protestiert und entlässt 17 Musiker. Aber nur kurzfristig, denn es weiß, das Publikum steht hinter der »Negermusik«. Noch in der laufenden Wintersaison werden wieder farbige Musiker eingestellt. Ab 1937 spielt Coleman Hawkins wieder regelmäßig im Negro Palace. Aus den Revuen und Varieté-Aufführungen der Theater sind farbige Künstler nicht mehr wegzudenken. Theater Carré wirbt mit den Harmony Kings als »Neger-Sängern mit Weltreputation!!«. Stadtverwaltung und Polizei reagieren nicht weiter. Im Zweifel siegt die Amsterdamer Toleranz, augenzwinkernd-pragmatisch.
    Unterdessen stieg die Zahl der Arbeitslosen in Amsterdam weiter, auf 58   000 im Jahr 1936. Der wichtige Export nach Deutschland – Butter, Eier, Käse, Gemüse und Gartenprodukte – war völlig eingebrochen. Vor 1930 gingen für rund 400 Millionen Gulden Güter über die Grenze; 1936 erreichte der Export nach Deutschland gerade einmal 117 Millionen. Hitler-Deutschland, dessen Ziel eine in allen Bereichen autarke Nation war, hatte 1933 die Einfuhrzölle erhöht. Aufgrund seiner geografischen Lage musste das kleine Land gegenüber dem mächtigen Nachbarn auf dem politischen Parkett leise auftreten: Es war abhängig von positiven Wirtschaftsbeziehungen zum deutschen Reich, unabhängig davon, wer dort regierte.
    Im Inland dagegen konnte die Regierung aktiv werden, um zu zeigen, dass sie die Arbeitslosigkeit mit allen Mitteln

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