Leben mit Hochsensibilitaet
versuchte Rose mit allen nur denkbaren Mitteln zu vermeiden. Solche Aufmerksamkeit kam ihr beängstigend vor. Da sie jedoch gerade mit dem Studium begann, benötigte sie, wie all die anderen Studenten, neue Freundschaften. Sie wagte es jedoch nicht, Kontakte zu knüpfen.
Im November hörte sie von dem Plan, dass ihre Mitstudenten im Wohnheim am 6. Dezember gemeinsam feiern wollten. Sie wollte keine Spielverderberin sein und auch gern mitmachen. Deshalb beschloss Rose, sich selbst einen Ruck zu geben. Sie entschied, ihre Gedanken bewusst umzuprogrammieren. Täglich prägte sie sich ein: „Ein Nein hast du, ein Ja kannst du bekommen.“ Sie prägte sich wieder und wieder ein, es sei nicht schlimm, wenn andere nein zu ihr sagen würden. Ihre Angst vor Ablehnung saß tief. „Um dieseAngst nicht zu fühlen, ging ich Kontakten lieber von vornherein aus dem Weg.“ Sie lernte, sich für ihre eigenen Bedürfnisse einzusetzen, indem sie sich immer wieder vor Augen hielt: „Vielleicht bist du im Leben anderer nicht so wichtig, trotzdem kannst du wohl etwas für dein eigenes Leben bedeuten.“
Obwohl Hochsensible Freundschaften großen Wert beimessen, können sie durch Schüchternheit blockiert sein. Wie ich schon sagte, ist Hochsensibilität nicht dasselbe wie Schüchternheit, obwohl manche vielleicht zu dieser Ansicht neigen. Hochsensible leiden allerdings recht häufig unter Schüchternheit, und das kann sie im Umgang mit anderen blockieren. Plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, kann sie komplett aus der Fassung bringen. Ungezwungener Small Talk in einer Gruppe ist für Hochsensible oft eine ziemlich Herausforderung. Betriebsausflüge oder andere soziale Veranstaltungen, besonders wenn sie zur Teilnahme verpflichtet sind und ein unbehagliches Gefühl dabei haben, können massive Unsicherheit auslösen. Vor eine Gruppe eine Ansprache halten, Versammlungen leiten, eine hübsche Person ansprechen – all das können enorme Herausforderungen sein, denen ein Hochsensibler sich möglicherweise nicht gewachsen sieht. Natürlich gilt das nicht immer. Manche haben gelernt, damit umzugehen, oder genießen es gar, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Denke zum Beispiel an Schauspieler, von denen einige sicherlich hochsensibel sind. Doch für andere kann Schüchternheit eine ziemliche Blockade sein im Bestreben, mit anderen in Kontakt zu kommen, sich vielleicht in einer Gruppe bemerkbar zu machen oder sich in irgendeiner Form zu präsentieren.
Als Schüchterner fühlt man sich schnell in die Enge getrieben und will am liebsten weit weg sein. Man fühlt die Aufmerksamkeit, die auf einen gerichtet ist, zu intensiv. Vielleicht hat man dir ja schon einmal gesagt: „Mensch, niemand beachtet dich, sei doch nicht so schüchtern!“ Aber du als Hochsensibler weißt, dass andere eben doch auf dich achten. Wir alle achten aufeinander. Tatsächlich tun wir nichts lieber, als einander zu beobachten. Gehe nur einmal ineiner Wohnsiedlung zwischen den Grundstücken hindurch, so dass du auf die Terrassen schauen kannst. Garantiert wirst du einige Blicke einfangen. Sehen und gesehen werden sind fester Bestandteil einer sozialen Gemeinschaft. Nicht so schüchterne Menschen kümmern sich einfach weniger um all die Aufmerksamkeit, die sie erhalten. Hochsensible mit ihrer Beobachtungsbegabung sind sich dieser Aufmerksamkeit hingegen sehr bewusst. Zudem sind sie sich auch einer Menge anderer „Störsender“ bewusst, was ungezwungene Spontaneität nicht gerade fördert.
Unter der Schüchternheit liegt aber eine reale Angst verborgen – die Angst vor Zurückweisung. Dies ist eine alte Angst, wahrscheinlich aus einer oder mehreren Erfahrungen entstanden, bei denen du tatsächlich abgewiesen wurdest oder scheitertest. Diese Erfahrung hast du internalisiert. Das bedeutet jedoch nicht, dass du in einer neuen Situation wieder abgewiesen wirst oder wieder einen Fehlschlag erlebst. Das halte dir unbedingt vor Augen! Und auch falls du wieder einmal scheitern solltest, na wenn schon? Wer ernstlich unter Schüchternheit leidet, kommt in vielen interessanten Situationen nicht zum Zuge. Hochsensible haben von Haus aus eigentlich recht gute soziale Fähigkeiten – sie sind aufmerksam, mitfühlend, hören gut zu und können sinnvolle Beiträge leisten – doch wenn sie ernsthaft mit Schüchternheit zu kämpfen haben, sind sie blockiert.
Als Kind war ich besonders schüchtern. Zumindest bezeichneten mich die Menschen meiner Umgebung so. Das
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