Leben mit Hochsensibilitaet
Schritt für Schritt, wie sie sich selbst besser schützen kann. Sie lernt, Grenzen zu setzen und in Kontakt mit ihrer Intuition zu kommen. Sie verfügt über eine gute Dosis Humor, die ihr hilft, sich zu erden, und die Gefahr von Wahnideen eindämmt. Sie übt sich darin, klare Abmachungen zu treffen, wenn es darum geht, was von ihr erwartet wird.
Anke (31) ist ausgebildete Köchin. Sie sitzt allerdings seit einigen Jahren arbeitslos zu Hause herum. Ich traf sie bei ihrem ebenfalls hochsensiblen Freund Ramon. Beide kennen sich noch nicht so lange und entdecken zusammen die Vor- und Nachteile ihrer Sensibilität. Das ist ein Prozess mit vielen Rückschlägen. Sie haben viel Verständnis füreinander und lernen in der Beziehung vor allem, Grenzen zu setzen.
Acht Jahre arbeitete Anke voller Hingabe in Restaurants. Da sie sich ihrer Hochsensibilität nicht bewusst war, machte sie bei der herrschenden Arbeitsmoral im Gaststättengewerbe ganz und gar mit – und das hieß: knallharte Arbeit. Darin kannte sie keine Grenzen. Das war ihre Art, sich von der Lebenseinstellung zu lösen, mit der sie aufgewachsen war. Sie wollte beweisen, dass sie eine fröhliche starke Frau war. Und das hielt sie lange durch. Bis sie eines Tages fiel – und zwar wortwörtlich fiel, ins Kellerloch. Mit Rückenproblemen blieb sie dann eine Weile zu Hause. Schnell wurde ihr klar: Dieser Sturz war nicht einfach ein zufälliges Unglück, sondern ein Signal für etwas anderes. Der Job forderte eigentlich schon viel zu lange viel zu viel von ihr. Und der Fall war nur der Beginn einer Reihe körperlicher Beschwerden.
Anke bekam Probleme mit ihrer Gallenblase, die Rückenprobleme wurden stärker und sie hatte immer mehr Probleme mit Ängsten. Sie erinnert sich, wie sie schließlich eines Tages nur noch geistesabwesend in den Armen ihrer Mutter weinen konnte. Irgendetwas war zerbrochen in ihr. Und sie sah anfangs keine Möglichkeit mehr, sich davon zu erholen.
Wegen der Ängste ging sie zu einem homöopathischen Arzt. Die Medikamente, die er verschrieb, waren allerdings zu stark. Sie verursachten weitere Angst- und Panikanfälle. Anke hatte das Gefühl, aus ihrem Körper herausgezogen zu werden. Der Arzt erhöhte daraufhin die Dosierung. Ihre Gliedmaßen begannen zu prickeln und sie fühlte sich ständig der Ohnmacht nahe. In der Zeit empfand sie sich außerdem als extrem offen gegenüber den Dingen – als hätte sie keine Haut mehr. Es gab für sie nur noch eine riesige, umfassendeAngst. Sie hatte keine Idee, was mit ihr los sein könnte. Erst als sie zehn Monate später die Medikamente absetzte, ging es ihr langsam besser.
Auch für Anke wurde die Bekanntschaft mit dem Begriff der Hochsensibilität ein Weg zur Genesung. Sie lernt momentan, wieder in Kontakt zu ihrer Sensibilität zu kommen. Sie erkannte, dass ihr eigener Körper die besten Hinweise für ihre Gesundheit gibt. Wenn sich etwas nicht gut anfühlt, dann hört sie damit auf. Die lange Krankheitsperiode bewirkte eine innere Neubesinnung. Anke wurde stark auf sich selbst zurückgeworfen, schaffte es aber, daraus das Gute zu destillieren. Sie ist authentischer geworden. Auch bei anderen schätzt sie vor allem Ehrlichkeit. Sie öffnet sich dem Strom der Lebensenergie, die als positive Kraft in ihr wirkt. Indem sie sich mit kreativen Hobbys beschäftigt, zum Beispiel mit Musik, findet sie die Essenz wieder, die sie lange Zeit nicht mehr gespürt hatte. Täglich fühlt sie das Leben in sich strömen und eine unvergleichliche Welle des Glücks. Nun möchte sie ihrem Leben eine neue Richtung geben. Was genau sie tun wird, weiß sie noch nicht. Doch sie hat schon eine leise Ahnung. Regelmäßig besucht sie ein ökologischspirituelles Zentrum. Das ist ein Ort, an dem sie sich zu Hause fühlt.
Auch Sophie (27) scheiterte in ihrem ersten Beruf beim Wohnungsbeschaffungsamt für Flüchtlinge. Im Nachhinein, sagt sie, zeigte sich, dass diese Arbeit wohl doch zu belastend für sie war. Sie hatte mit sehr vielen Gefühlen vieler Menschen zu tun. Das überwältigte sie, und sie hatte nur ungenügend Zeit, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Der Arbeitsdruck war enorm und ihr Einfluss auf die Sachlagen minimal. Ihre natürliche Neigung, gewissenhaft zu sein, kollidierte mit den Arbeitsroutinen. „Im Nachhinein verstehe ich, dass ich eine Arbeit brauche, in der es auch Zeit gibt, um nachzudenken und zu sich zu kommen. Ich habe eine Neigung, Dingen ganz auf den Grund zu gehen und intensiv zu sein. Dieses
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