Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
forschte über eine der Geißeln jener Zeit, die Kinderlähmung. Mitte der 1950er-Jahre hatte dann aber Jonas Salk mit seinem Polio-Impfstoff dieses Problem in den Griff bekommen, und Paffenberger verlagerte sein Interesse auf die Rolle physischer Aktivität bei der Entstehung von Krankheiten. Er war einer der ersten Versuchsleiter der Framingham-Herzstudie, mit der die Grundlage für zahlreiche Herz-Kreislauf-Studien in den folgenden Jahrzehnten gelegt wurde. Während dieser Zeit begann er sich für die Rolle fehlender körperlicher Aktivität bei Herzkrankheiten zu interessieren. Er sprach gerne über diese Anfangszeit und seine Unterhaltungen mit Kollegen wie dem berühmten Bostoner Kardiologen Paul Dudley White oder dem ersten Leiter des National Heart Institute, James Watt. Kurz bevor Paffenberger dem National Heart Institute beitrat, erfuhr er von Morris’ frisch veröffentlichten Londoner Busstudien. Er begegnete Morris später persönlich, und beide wurden Freunde für den Rest ihres Lebens.
Genau wie auch schon Morris untersuchte Paffenberger den Zusammenhang zwischen den Lebensweisen einzelner Bevölkerungsgruppen und ihrer durchschnittlichen Lebenserwartung. Ähnlich wie Morris mit seinen Studien seit den 1950er-Jahren machte er sich seit den 1960er-Jahren mit zwei inzwischen klassischen Fallstudien einen Namen: der Collegeabgänger-Gesundheitsstudie und der Hafenarbeiterstudie in San Francisco. Beide führten zu bahnbrechenden Publikationen über den Zusammenhang von körperlicher Aktivität und Schlaganfällen, Bluthochdruck, Diabetes und der Lebenserwartung. Im Wesentlichen bestätigten sie, was bereits Morris bei seinen Untersuchungen aufgefallen war.
Paffenberger belegte eindeutig die umgekehrte Korrelation zwischen körperlicher Anstrengung und dem Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, die unabhängig von Gewicht, Ernährung und Blutdruck besteht. Je weniger man schuftet, desto riskanter lebt man. Dieses Fazit wirkt wie eine Wiederholung von Morris’ Schlussfolgerungen und ist es in vielerlei Hinsicht auch. Aber Paffenbergers Arbeit fügte Morris’ Studien mehr Material und einen weiteren Blickwinkel hinzu und kam vor allem zu einer Zeit, als die zweifelnden Ärzte, die ständig nach Antworten suchten, schon besser auf seine Botschaft vorbereitet waren. Ebenfalls berühmt sind Paffenbergers Anmerkungen zu »Freizeitaktivitäten«. Er führte seine Hafenarbeiterstudie zu einer Zeit durch, als der technische Fortschritt in den Docks die körperliche Beanspruchung der Arbeiter drastisch reduzierte. Zu Beginn der Studie (1951–1960) waren noch 40 Prozent der dort Beschäftigten Schwerarbeiter, deren Arbeit vorbeugend gegen koronare Herzkrankheit wirkte; im Zeitraum 1961 bis 1970 waren es nur noch 15 Prozent und 1972 sogar nur noch 5 Prozent. Paffenberger schrieb: »Wenn große Anstrengung als Vorbeugemaßnahme wirkt, dann werden Arbeiter, denen die körperliche Schwerarbeit im Beruf zunehmend abgenommen wird, dies durch entsprechende Freizeitaktivitäten ausgleichen müssen, um ihr Risiko eines tödlichen Herzinfarkts nicht zu steigern.«
Weil heute kaum noch jemand im Beruf körperliche Schwerarbeit leistet, sind diese »Freizeitaktivitäten« sehr wichtig geworden. Bedroht werden sie allerdings von der Konkurrenz der virtuellen Welt, die körperliche Aktivität nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch zu Hause zunehmend zurückgehen lässt. Paffenberger wie Morris erlebten noch die radikalen Veränderungen der Arbeitsplätze, des Pendelns und der Freizeitgestaltung in unserer Gesellschaft – Wechsel, die bis heute fortdauern. Immer mehr Zeit verbringen wir sitzend, bewegungslos und untätig. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren arbeitssparende Geräte noch selten, aber inzwischen sind sie sowohl bei der Arbeit wie zu Hause allgegenwärtig. Vom Fließband, an dem nur noch Roboter stehen, über Haushaltsgeräte bis zu Automobilen und der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik stehen uns heute alle Mittel zur Verfügung, um uns im Alltag so wenig wie möglich anstrengen zu müssen. Sowohl Morris wie Paffenberger haben immer wieder darauf hingewiesen und sich bemüht, den Freizeitsport in unserer Kultur zu verankern. Sie traten gegen eine Zivilisation an, in der es immer mehr Ausreden gab, sich nicht bewegen zu müssen, und waren wild entschlossen, Politik und Gesellschaft entsprechend zu ändern. Ein gutes Beispiel für Morris’ Talent, komplexe Zusammenhänge als einfache, wirkungsvolle
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