Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
Chemotherapien nie bewiesen worden, dass sie auch nur eine einzige Krebszelle vernichten. Die Forschung besteht aus eleganten Versuchsreihen in Gewebekulturschalen – wenn ich eine Zelle diesem Krebsmedikament aussetze, passiert Folgendes, und so weiter –, aber Dosen und Umweltbedingungen in diesen Schalen kommen jenen im Körper auch nicht annähernd nahe. Ich bin daher immer skeptisch, wenn über die »Wirkung« bestimmter Nahrungsmittel gegen Krebs berichtet wird. Natürlich, Knoblauch und Kurkuma meucheln im Labor die Tumorzellen hin, aber wie sieht es in einem lebenden Körper aus? Der Körper ist viel komplexer und geheimnisvoller. Natürlich kann es durchaus gesund sein, Knoblauch und Kurkuma zu essen, aber wir müssen uns vor übereilten Schlussfolgerungen anhand von Versuchsergebnissen in der sehr kontrollierten Umwelt einer Petrischale hüten. In einer Petrischale tötet auch Alkohol Krebszellen, aber deswegen können Alkoholiker trotzdem Krebs bekommen. Wahrscheinlich kann man Tumorzellen im Labor auch mit Kerosin abtöten, aber deswegen wird man es trotzdem nicht auf seinen täglichen Speiseplan setzen. Allerdings kennen wir inzwischen ein weit weniger tödliches Toxin, das bei Krebspatienten tatsächlich funktioniert.
Die Chemotherapie nutzt den Krebspatienten ganz ohne Frage, allerdings wissen wir oft gar nicht, warum. Ich möchte Ihnen noch ein weiteres Beispiel dafür geben, das mich besonders beeindruckt hat, weil ich zum Schluss selbst an diesem Experiment beteiligt war. Es bestätigte die wichtige Rolle der Umweltbedingungen beim Wachstum und der Kontrolle eines Tumors und zeigte, was für unglaubliche und unerklärliche Ergebnisse ein Experiment – ob nun in der Petrischale oder am Menschen – haben kann.
Im Jahr 2001 war ich an der Gründung von Accelerate Brain Cancer Cure (ABC 2 ) beteiligt, einer gemeinnützigen Organisation zur Erforschung neuer Heilmethoden für Hirntumore. Hinter ABC 2 standen die Familien von Dan und Steve Case. Dan hatte gerade die Diagnose bekommen, dass er an einer tödlichen Form von Hirntumor litt, dem sogenannten multiformen Glioblastom. Steve Case ist bekannt als Mitbegründer und früherer CEO und Vorsitzender von America Online; sein Bruder starb 2002 mit 24 Jahren an dieser seltenen Krebsart. Zwei Jahre später, 2004, bekam ich einen Anruf Henry Friedmans, einem der bedeutendsten Neuroonkologen der USA, der an der Duke University lehrt. Er erzählte, dass er bei einem Abendessen eine niedergelassene Krebsärztin namens Virginia Stark-Vance, die in Dallas und Fort Worth, Texas, praktiziert, getroffen habe. Sie habe ihn um Rat wegen einer Patientin gebeten, die an demselben seltenen Tumortyp litt und bei der die Chemotherapie nicht anschlug. Die Lebenserwartung solcher Patienten liegt gewöhnlich im einstelligen Wochenbereich. Lucy, wie wir die Patientin hier nennen wollen, hatte selbst nachgeforscht und in der New York Times einen Artikel gefunden, in dem es um die Behandlung verschiedener Karzinomtypen mit einem Medikament ging, das die Bildung neuer Blutgefäße verhindert, die den Tumor mit Nährstoffen versorgen. Das klingt plausibel, allerdings war dieses Medikament namens Avastin (die generische Bezeichnung ist Bevacizumab) damals nur für Dickdarmkrebs zugelassen, noch nicht für Hirntumore. Nachdem sie den Zeitungsartikel gelesen hatten, ruhten Lucy und ihr Mann aber nicht eher, als bis sie an Avastin herankamen; sie hatten ja auch nichts mehr zu verlieren. Doch Stark-Vance hatte Bedenken, nicht zuletzt, weil Avastin zu Hirnblutungen führen kann. Das war bei einem der ersten klinischen Versuche geschehen, als eine 29-jährige Patientin, deren Leberkrebs Metastasen im Gehirn gebildet hatte, während einer Fahrradfahrt Hirnblutungen bekam und kollabierte. Stark-Vance entschied sich allerdings dann, nachdem auch Friedman ihr zugeraten hatte, das Risiko einzugehen und die Avastin-Therapie zu genehmigen.
Der Anruf, in dem Henry mir mitteilte, wie das Mittel bei Lucy und mehreren anderen Patienten anschlug, klang dann aber ganz anders. Ich spürte die Aufregung in seiner Stimme, als er mehrere beeindruckende Fallverläufe schilderte, in denen der Tumor zu schrumpfen oder zumindest nicht mehr zu wachsen schien. Das ist bei fortgeschrittenen Hirntumoren äußerst selten.
Wie viele andere, die Avastin ® nahmen, war Lucy ins kalte Wasser gesprungen; es gab nicht einmal eine klinische Studie, die feststellte, ob das Mittel gegen ihren Krebs wirksam
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