Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
für Physik, auch wenn sein Entwurf erst 1977 experimentell bestätigt wurde.
Mit seinen 79 Jahren hätte Murray kein netterer und fesselnderer Gesprächspartner sein können; dazu kam noch sein ansteckendes Lächeln. Ich verknallte mich sofort – intellektuell gesehen – in seine Lebensfreude und seine Brillanz und lauschte gespannt seinen Erzählungen über seine Tätigkeit in der Physik. Genauso wenig wie Gedanken kann man Quarks sichtbar machen, auch nicht mit der fortgeschrittensten Technologie, und als Murray seine Ideen entwickelte, musste er sich auf abstrakte Daten verlassen und die Existenz der Quarks aus ihnen erschließen. Mein Aha-Erlebnis hatte ich, als er von den komplexen Systemen erzählte, mit denen er es in der Physik zu tun hatte, und von den Modellen, die er konstruierte, um diese Systeme zu verstehen. Warum gingen die Ärzte nicht auch so an die Medizin heran? Warum versuchten wir nicht, mit all den Daten, die wir sammelten, ein Modell zu konstruieren, um Krankheiten und damit umgekehrt auch die Gesundheit zu verstehen? Ich suchte nach einer Modellvorstellung aus der Medizin, die Murrays Quark-Modell entsprach, und fand nichts. Das Wort Onkologe bedeutet wörtlich »jemand, der sich mit Massen oder Tumoren befasst.« Murray definierte bestimmte Massen (wenn auch subatomare) mit physikalischen Begriffen, während ich versuchte, biologische Massen zu verstehen, die mit Abnormität und Chaos zu tun hatten. Ich fragte mich, wie ich Murrays Denkweise auf meine eigene Welt anwenden könnte.
Seit jenem Abend habe ich erfreulicherweise zahlreiche Gelegenheiten zum Meinungsaustausch mit Murray gehabt (und ich habe das Glück, dass er sich als Presidential Professor für Physik und Medizin an der University of Southern California meinem Forschungsteam angeschlossen hat, sodass wir enger zusammenarbeiten können). Trotz des Generationenunterschieds kommen wir so gut wie alte Freunde miteinander aus. So sehr wir das Arbeitsgebiet des jeweils anderen bewundern, fasziniert uns doch auch, wie unsere Denkweisen sich, geprägt von diesen Fachgebieten, voneinander unterscheiden. Als Murray mir geradeheraus sagte: »Betrachte den Krebs als System «, sah ich auf einmal alles ganz anders – den Krebs und unseren Behandlungsansatz; Krankheiten und unseren medizinischen Ansatz allgemein; sogar die Gesundheit insgesamt. Ich konnte der Frage nicht ausweichen: Hält unsere Sichtweise des Krebses uns davon ab, ihn zu heilen? Und hindert uns diese falsche Sichtweise womöglich daran, überhaupt Erfolge in der Medizin zu erzielen?
Wie ich in diesem Buch darlegen werde, halte ich Krebsfrüherkennung für äußerst wichtig. Den Krebs so früh wie möglich festzustellen, ist gegenwärtig unsere einzige Chance, ihn effektiv zu bekämpfen. Wenn wir bestimmten Gesundheitsregeln folgen, können wir die meisten Krebsarten verhindern. Aber das gilt nicht nur für Krebs. Durch zielgerichtete Vorsorge können wir viele Krankheiten abwehren, und darum geht es in diesem Buch.
Um es klar zu sagen: Das vorliegende Werk ist kein »Krebsbuch«. Wir sollten den Krebs weniger als schwere Krankheit und bedrohlichen Feind sehen denn vielmehr als Metapher für die Gesamtheit aller Krankheit in der Welt. Der Krebs ist die am weitesten entwickelte aller Krankheiten. Er ist nicht isoliert. Siddhartha Mukherjee beschreibt ihn als »König aller Krankheiten« – als die Nemesis, die auf jede dritte Frau und jeden zweiten Mann irgendwann in ihrem Leben wartet. All die Intelligenz und all das Geld, die gegenwärtig in die Krebsforschung investiert werden, bewirken in diesem sogenannten Krieg kaum etwas. Es ist an der Zeit, nicht nur unsere Ansichten über den Krebs, sondern auch über Gesundheit und Wohlbefinden an sich zu ändern. Wir brauchen eine radikal andere Denkweise, die uns zu Durchbrüchen auf allen Gebieten der Medizin führen kann. Zu dieser neuen Denkweise gehört auch, dass wir uns anders als bisher um unseren Körper kümmern und für jeden einzelnen Menschen definieren, was Gesundheit eigentlich bedeutet – denn sie bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Krankheit.
Eine Karriere voller Fragen
Für die Biologie des Menschen interessiere ich mich schon, solange ich denken kann. Als Kind interessierte ich mich früh für die Naturwissenschaften und wollte schon immer in einem Labor arbeiten. Über die Jahre habe ich viele bemerkenswerte Lehrer gehabt, darunter meinen Vater, einen Arzt, der mich immer forderte und wollte,
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