Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
randomisierter klinischer Tests überein. Sie sind ein weiteres Indiz dafür, dass der verstärkte Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln möglicherweise schädlich ist, einschließlich erhöhte Krebsraten und Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch diese Studie stellt den Nutzwert von Antioxidans-Vitamintabletten bei guter Ernährungslage der Bevölkerung infrage und unterstreicht die Möglichkeit, dass Antioxidans-Präparate unbeabsichtigte und sogar negative gesundheitliche Folgen haben können.
Ich könnte die nächsten zehn Seiten dieses Buchs mit der Beschreibung ähnlicher Studien füllen, die alle bestätigen, was ich schon lange glaube: Die Wirkung von Vitaminen wird überbewertet. Aber um Sie nicht mit zu vielen trockenen wissenschaftlichen Berichten zu langweilen, lassen Sie mich nur noch einige wenige erwähnen:
Die Agency for Healthcare Research and Quality veröffentlichte 2010 eine Bewertung von 63 randomisierten, kontrollierten Studien (das ist, wie gesagt, der Goldstandard in der Forschung) über Multivitaminpräparate. Es zeigte sich dabei, dass diese bei den meisten Patientenpopulationen nicht zur Vorsorge gegen Krebs oder Herzkrankheiten beitrugen. Die einzige Ausnahme waren Entwicklungsländer mit verbreiteter Mangelernährung.
Forscher am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, Washington, veröffentlichten 2009 einen Artikel über eine Zehn-Jahres-Studie an 160000 Frauen nach den Wechseljahren. Das Team kam zu dem Ergebnis, dass Multivitamine bei sämtlichen an der Studie teilnehmenden Frauen keinen vorbeugenden Effekt gegen Krebs, Herzkrankheiten oder andere Todesursachen hatten – egal, ob die Betreffenden sich gesund ernährten oder nicht.
Nun sind Multivitaminpräparate nicht die einzigen Nahrungsergänzungsmittel, die in letzter Zeit viel Medienaufmerksamkeit und unverdientes Lob erhalten haben. Selen, ein Spurenelement, das in Proteine eingebaut wird, um wichtige Antioxidantien zu produzieren, ist inzwischen ebenfalls sehr beliebt. Aber Studien zum gesundheitlichen Nutzen von Selen, insbesondere zur Vorbeugung gegen Krebs, zeigen uns, dass auch dieses Mineral den Vorschusslorbeeren nicht gerecht wird. Hier ein Beispiel: Zwischen 2001 und 2004 nahmen über 35000 Männer an der sogenannten SELECT-Studie teil (die über 130 Millionen Dollar kostete!), deren Abkürzung für Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (Selen- und Vitamin-E-Krebsvorsorge-Untersuchung) steht. Die Studie, finanziert hauptsächlich vom National Cancer Institute (NCI), wird von der Southwest Oncology Group (SWOG) koordiniert, einem internationalen Netzwerk von Forschungsinstitutionen, das seine Mittel vom NCI erhält.
Obwohl die Versuchsteilnehmer bis heute ärztlich überwacht werden, wurden sie im Oktober 2008 angewiesen, die Einnahme der Präparate zu beenden. Bis dahin hatten die Forscher bereits einiges herausgefunden. Erstens können Selen und Vitamin E, einzeln oder in Kombination und durchschnittlich fünfeinhalb Jahre lang eingenommen, Prostatakrebs nicht verhindern. Zweitens stellten sich einige bedenkliche Tendenzen ein, die zwar nicht statistisch signifikant waren, aber die Forscher dennoch alarmierten. Bei den Männern, die nur Vitamin E einnahmen, stieg die Prostatakrebsrate ein wenig, desgleichen die Diabetesrate bei denjenigen, die nur Selen einnahmen. Warum? Das wissen wir nicht. Keines der Ergebnisse genügte als Beweis eines durch die Präparate verursachten erhöhten Risikos und sie könnten auch Zufall sein, aber interessant sind sie schon.
Im Herbst 2011 erschien eine Warnung im Journal of the American Medical Association, die die schlechte Bewertung von Vitamin E in der SELECT-Studie bestätigte. Obwohl die Originalresultate keinerlei statistisch signifikante Schlüsse zuließen, wurden sie mit der Zeit dann doch statistisch relevant: Bei gesunden Männern, die das Vitamin-E-Präparat einnahmen, fand sich ein um 17 Prozent gestiegenes Prostatakrebsrisiko. Die Autoren der Studie schreiben: »Angesichts der Tatsache, dass über 50 Prozent der über 60-Jährigen Präparate einnehmen, die Vitamin E enthalten, 23 Prozent davon 400 IU täglich oder mehr bei einer empfohlenen Tagesdosis von nur 22,4 IU, sind die Implikationen unserer Beobachtungen beträchtlich.« Dazu kommt noch, dass die gesundheitlichen Folgen der Nahrungsergänzungsmittel sich möglicherweise erst viele Jahre nach der Beendigung der Einnahme zeigen.
All das unterstützt erneut die
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