Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
einiges verantwortlich, und sehr wahrscheinlich steigen Einwanderer auch bald auf unsere abgepackten Fertiggerichte um, wenn sie erst einmal in den USA angekommen sind –, aber wie sich herausgestellte, spielt hier das Mikrobiom eine wichtige Rolle. Es regelt die Verarbeitung des Essens und den Übergang in den Stoffwechsel – wie viel und wie schnell man absorbiert und was in den Blutkreislauf gelangt. Letzteres beeinflusst unter anderem auch die Hormonwerte, und das wiederum das Risiko für bestimmte Krebsarten, etwa Prostata- oder Brustkrebs.
Gewöhnlich unterscheidet man Menschen nach ihrer Blutgruppe, manchmal auch nach ihrer Volkszugehörigkeit. In Zukunft wird es auch die Einteilung nach Mikroben geben – nach den vorherrschenden Bakterien im Verdauungstrakt. In einer der provokanteren Studien zu diesem Thema, erschienen im April 2011 in Nature, legte ein Forscherteam unter Peer Bork vom European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg anhand des Mikrobioms drei »Typen« von Menschen fest, die sich durch die unterschiedlichen Anteile bestimmter Bakterienarten unterscheiden. Typ 1 zum Beispiel wird durch einen hohen Anteil von Bacteroides-Bakterien gekennzeichnet; bei Typ 2 sind diese vergleichsweise selten, hier herrschen Prevotella-Bakterien vor. Borks Team kam auf diese Einteilung, als es keine Korrelation zwischen dem Enterotyp, also der Bakterienmischung des Mikrobioms, und der ethnischen Herkunft seiner europäischen, amerikanischen und japanischen Probanden finden konnte. Anders ausgedrückt: Zwei Amerikaner haben nicht unbedingt dasselbe Bakterien-Ökosystem, wie sie auch nicht notwendigerweise dieselbe Blutgruppe haben. Aber die Eigenschaften des jeweiligen individuellen Bakterien-Ökosystems könnten sehr wohl ihre Risikofaktoren für bestimmte Krankheiten definieren. Ebenfalls keinen Zusammenhang fanden die Heidelberger Forscher zwischen den Mikrobiomtypen und den Faktoren Geschlecht, Gewicht, Gesundheitszustand und Alter. Die Gründe für diese Korrelationslosigkeit versuchen sie jetzt gerade zu entdecken. Eine Möglichkeit ist, dass unsere Eingeweide im Säuglingsalter nach dem Zufallsprinzip von den Bakterien besiedelt werden, die gerade da sind; durch die ersten Ansiedler ändert sich die chemische Umgebung so, dass ihnen nur noch bestimmte Spezies folgen können.
Was auch immer die Ursache für die unterschiedlichen Enterotypen ist, diese Differenzen haben womöglich deutliche Auswirkungen auf den Gesundheitszustand. Die Darmflora unterstützt den Organismus bei der Verdauung und der Erzeugung von Vitaminen mit Enzymen, die unsere eigenen Zellen nicht herstellen können. Bork und Kollegen fanden heraus, dass die Zusammenstellung dieser Enzyme bei jedem Enterotyp eine andere ist. Enterotyp 1 etwa produziert mehr Enzyme zur Synthese von Vitamin B7 (auch Biotin genannt), Enterotyp 2 dagegen mehr Enzyme für die Gewinnung von Vitamin B1 (Thiamin). Ich bezweifele, dass es wirklich nur eine Handvoll dieser Enterotypen gibt. Sicher werden wir noch dahinterkommen, dass es Dutzende, wenn nicht Hunderte unterschiedlicher Enterotypen-Cluster gibt, die ein breites Spektrum von Strategien für die persönliche Gesundheitsvorsorge liefern werden. Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihre Ernährung genau auf Ihren persönlichen Enterotyp abstimmen. Danach könnten Sie mühelos und dauerhaft abnehmen, über mehr Energie verfügen, eine chronische Krankheit heilen und vielleicht sogar eine Darmkrankheit überwinden, die Sie schon quält, seitdem Sie denken können.
Die Entdeckung der Blutgruppen A, B, AB und 0 hatte große Auswirkungen auf die medizinische Praxis. Die Ärzte konnten jetzt weitgehend vermeiden, dass der Organismus eines Patienten, der eine Bluttransfusion bekam, das gespendete Blut abstieß, indem sie darauf achteten, immer Blut der passenden Blutgruppe zu übertragen. Die Entdeckung der Enterotypen könnte eines Tages zu eigenen medizinischen Nutzanwendungen führen, und zwar weit über die Anpassung der Ernährung hinaus. Medikamente werden ebenso auf den Enterotyp zugeschnitten sein. Darin steckt ein revolutionäres Potenzial für die Pharmaindustrie, die sich gegenwärtig noch nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum vorantastet. Später in diesem Buch, wenn es um die Erforschung der Proteine und ihren Nutzen für die pharmazeutische Industrie geht, werde ich erklären, wie nützlich das Verständnis des bakteriellen Ökosystems im Körper ist, wenn wir der dynamischen
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