Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
Unterhaltung zwischen unseren Zellen »zuhören« wollen. Bakterien haben als Lebewesen auch ihre eigene DNA, die in uns wirkt, und neue Technologien helfen uns jetzt dabei, die Bakterien und ihre Auswirkungen auf uns – seien es gute oder schlechte – zu verstehen.
Was die Studien des Mikrobioms allesamt gemeinsam haben, ist, dass die Bakterien im menschlichen Körper eine ungeheure Artenvielfalt aufweisen, vergleichbar der Biodiversität im tropischen Regenwald. Die einzelnen Körperregionen werden von unterschiedlichen Artenkombinationen besiedelt. In meiner Mundhöhle habe ich vielleicht eine ganz andere Bakterienkolonie als Sie, was ein weiterer bestimmender Faktor ist, ob meine Ernährung mein Verdauungssystem gesund erhält. In Zukunft werde ich als Patient vielleicht meinen einmaligen Enterotyp so gut kennen, dass ich mein Verdauungssystem so problemlos wie möglich am Laufen halten kann.
Innerhalb der kommenden zehn Jahre wird die Forschung die Geheimnisse des Mikrobioms enträtseln und uns sagen, wie wir es manipulieren können, um gesünder zu werden. Das Mikrobiom – nicht der Vitamin-D-Wert, zum Beispiel – erklärt vielleicht auch, warum Bewohner höherer Breitenlagen ein größeres Krebsrisiko haben. Denn die Menschen in verschiedenen Breitenzonen haben unterschiedliche Bakterienfloren. Ich könnte mir gut vorstellen, dass irgendwann der Arzt bei hohem genetisch bedingtem Brustkrebsrisiko das Mikrobiom so anpasst, dass es das Risiko möglichst gering hält. Die Kombination der verschiedenen Technologien wird hier entscheidend sein.
Zur konstanten aktiven Wechselwirkung zwischen Verdauungstrakt und Mikrobiom kommt als weiterer wichtiger, aber oft vergessener Faktor noch das Gehirn. Es verleiht der Unterhaltung zwischen Ihrem Darm und Ihren »Gefühlen« eine kraftvolle Stimme.
Ein Bauchgefühl
Einen gesunden Verdauungstrakt kann man gar nicht wichtig genug nehmen. Als Menschen spüren wir unsere Körperfunktionen, wie wohl wir uns fühlen, wie viel Energie wir haben, wie viel Stress wir haben, wie unsere Stimmung ist. Woher kommen diese Gefühle? Die neuronalen Vorgänge im Körper, die uns dessen Zustand melden, werden gerade intensiv erforscht. Eine der Methoden, mit denen der Körper seinen Gesundheitszustand durch das verwickelte Netzwerk von Hormonen und Neurotransmittern signalisiert, ist die Schaffung besonderer Verbindungen zwischen den einzelnen physiologischen Systemen.
In den letzten Jahren haben zahlreiche Forschungen, die durch bahnbrechende Arbeiten in der Neurologie und durch Wissenschaftler wie Emeran Mayer von der School of Medicine der UCLA ermöglicht wurden, eine enge Zwei-Wege-Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Verdauungssystem nachweisen können. Diese Verbindung ist ziemlich bemerkenswert – sie ist so komplex, dass man den Darm als größtes Sinnesorgan im Körper bezeichnen könnte. Michael Gershon, ein Experte im neuen Fachgebiet der Neurogastroenterologie und Autor des Buches Der kluge Bauch: Die Entdeckung des zweiten Gehirns (1998), nennt unseren Darm wirklich so. Er ist unser zweites Gehirn, dessen Tätigkeit weit darüber hinausgeht, nur sicherzustellen, dass unsere Nahrung gut verdaut wird. Hier eine Kurzfassung: Der Darm sendet über den Vagusnerv und afferente Nerven Informationen an das Gehirn, und zwar zu verschiedenen Ebenen im Zentralnervensystem. Dazu zählen das Rückenmark, der Hirnstamm, der Hypothalamus und ein Hirnareal namens enterozeptiver Cortex. Dadurch erhält das Gehirn Informationen über die Vorgänge im Darm. Das Zentralnervensystem seinerseits schickt Informationen an den Darm zurück, um dessen optimale Funktion während des Schlafs, bei Nahrungsmangel und bei der Verdauungstätigkeit zu gewährleisten. Ohne diesen Nachrichtenaustausch wäre es unmöglich, unser Essverhalten und unsere Verdauung zu kontrollieren.
Wirklich erstaunlich ist nun, dass unser Darm sein eigenes kleines Nervennetzwerk hat, mit dem er auf die Signale des Gehirns reagieren und Bescheid geben kann, wenn etwas nicht stimmt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Darmtätigkeit immer mit unserem Gesamtzustand koordiniert ist. Außer Nervensignalen schüttet das Darmnervensystem auch Hormone aus, die das Gehirn entweder direkt oder durch Stimulation sensibler Nerven erreichen. So übermitteln zum Beispiel bestimmte Darmhormone Sättigungs- und Hungergefühl. Oder wenn irgendwo in den Eingeweiden eine Entzündung ausgebrochen ist, kann der Darm dem Gehirn auch
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