Leben statt kleben
anderen im Handumdrehen erledigt würde. Aber für uns ist der bloße Gedanke daran schon zuviel. Bei einem platten Fahrradreifen sinkt das Herz, die guten Vorsätze beginnen. „Morgen erledige ich das. Ok, übermorgen. Am Wochenende. Spätestens!” In der Zwischenzeit bleibt das beschwerliche Vorsichherschieben. Die Alternative wäre, sich an jemand anderen zu wenden.
Die grausame Wahrheit ist, dass wir nicht alles selbst am besten können. Hilfe lauert immer und überall. Delegieren ist eine Option. Es gibt Menschen auf der Welt, denen Fahrrad flicken kein unsäglicher Graus ist. Vielleicht ist einer davon sogar mit uns befreundet? Falls nicht, gibt es immer noch die Profis. Die sitzen mit ihren Spezialwerkzeugen in ihren Spezialgeschäften und warten freundlich lächelnd darauf, uns aus der Patsche helfen zu dürfen. Geht aber nur, wenn wir uns helfen lassen. Dem hausgemachten Aufschiebedrama ein Ende bereiten, Reifen in den Kofferraum und auf zum Fahrradladen. In der Sonne sitzen, Kaffee trinken und beim Abholen die Spezialisten freudestrahlend informieren, dass sie uns das Leben gerettet haben. Alle glücklich.
Warum lehnen wir Nettgemeintes reflexartig ab? „Ach, das geht schon.” Die größten Entwicklungshemmer kommen als harmlose Phrasen daher. „Das braucht’s nicht.” Wenn das die bisher vorherrschende Haltung der Menschheit gewesen wäre, säßen wir noch in Höhlen und nagten an rohen Knochen. Warum etwas von vornherein aus dem Leben ausschließen? „Nein danke, wir sind schon gut versichert, wohldosiert, wohltemperiert.“ Warum eine Hilfestellung ablehnen und sich damit eine Erfahrung oder Begegnung entgehen lassen?
„Alles kann einem Menschen genommen werden, außer der letzten menschlichen Freiheit – seine Einstellung in jeder vorgegebenen Situation zu wählen”, sagte Viktor Frankl. Wir haben nicht in der Hand, was uns zustößt. Trennung, Trauer, Schmerz, Tod. Es gibt kein Leben ohne Trauma. Wir können verbittern, uns innerlich abtöten lassen vom Leid. Uns verschließen aus Angst vor weiterem Schmerz. Oder uns zu einem Diamanten schleifen lassen, der funkelnd ins Leben zurückstrahlt, was ihm widerfahren ist. Am Leid gewachsen und gereift. Inspiriert, weiter zu suchen, anders zu fragen als bisher. Grenzen und Prioritäten neu zu definieren. Je tiefer sich Schmerzfurchen ins Herz graben, desto mehr Freude kann es halten.
Wenn wir aus einem Schmerz nicht alleine herausfinden, haben wir die Wahl, Hilfe anzunehmen. Herauszufinden, welche Unterstützung uns gut tut. Akupunktur, Psychologie, Refloxologie, Heiler, Coaching, Schüsslersalze, Yoga, Homöopathie, Massage, Reiki, Astrologie, Bachblüten, Jin Shin Jyutsu, Familienstellen, Mudras, Tai Chi, Physiotherapie, Osteopathie… es gibt soviel zu entdecken, die Liste ist endlos. Probieren Sie die Speisekarte durch, irgendwann finden Sie Ihr Heilungsleibgericht. Lassen wir uns bei der Auswahl der Berater vom Bauch leiten. „Sagt mir die Persönlichkeit zu? Lebt diese Person ein Leben, das mich inspiriert?” Die besten Lehrer machen das Wissen wieder zugänglich, das längst in uns steckt. Lernen ist ein Sich-Erinnern, sagte schon Platon.
Bei der Geburt wurde uns ein Stift in die Hand gegeben. Es liegt an uns, wie wir das Buch unserer Lebensgeschichte füllen. Geschrieben wird es mit jedem Tag, der vergeht. Es heißt, am Ende werden wir alles noch einmal lesen. Freuen Sie sich schon auf die Lektüre?
Beziehungen beleben
Die Kunst des So-Sein-Lassens
Dinge sind mit Beziehungen verschweißt. „Mein Partner, meine Tochter, mein Vater... haben viel zu viel. Was soll ich tun?“ – Nichts! Andere in Frieden lassen und bei sich selbst ansetzen, die eigenen aufgeschobenen Vorhaben angehen. Eine wenig faszinierende Option, zugegeben. Also doch nur noch einmal, ganz kurz!, der Versuchung erliegen und an Familienmitglied, Freund oder Kollegin herumerziehen. Subtil oder weniger subtil. Vorteil: Sobald wir andere zum Projekt machen, lenken wir uns erfolgreich von eigenen (Nicht-)Aktionen ab. Nachteil: Nörgeln bringt nix. Herummäkeln ist eine energetische Fehlinvestition. Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zerrt. Oder ermutigend von unten nachschiebt. Das gilt auch für Menschenpflänzlein. Die eigene Reaktion ist das einzige, was wir ändern können. Anbieten, loslassen, Gutsein lassen. Es ist ungeheuer befreiend, andere nicht mehr ständig anpieksen oder aufpusten zu müssen. Es geht uns hervorragend, sobald wir den Rest des
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