Leben statt kleben
jemand anders besser damit leben, unbelastet von diesen Assoziationen.
Wie oft leiern wir uns die Bedenken von vorgestern für übermorgen herunter? Welches sind Clutter-Gefühle, die nur Kraft kosten und konstruktivem Vorwärtskommen im Weg stehen? Sich Sorgen machen zieht die Energie herunter, ohne etwas zum Positiven zu bewegen. Sobald uns klar wird, dass wir anziehen, worauf wir uns konzentrieren, wird es leichter, den Fokus zu verändern. Über Lösungsmöglichkeiten nachzudenken, anstatt Zeit zu vergrübeln. Oft wird Stress dadurch hervorgerufen, dass wir versuchen, eine unsichere Zukunft zu kontrollieren. Tief durchatmen und fragen „Was für ein Problem habe ich jetzt – in diesem Moment?“
Schuldgefühle und Bedauern können eine Weigerung sein, weiter zu gehen. Wir brandmarken uns als schlecht, anstatt uns als menschlich zu akzeptieren. Niemand ist unfehlbar, wir alle sind Opfer und Täter. Aus der Erfahrung lernen, am besten nicht exakt das Gleiche noch einmal versuchen – und dann auf zu brandneuen, noch spannenderen Verfehlungen! Vielleicht hilft ein Befreiungsritual beim Loskommen? Das Dilemma auf einen Zettel schreiben und in einer kleinen Zeremonie vergraben / verbrennen / verschließen. Welches Format auch immer sich richtig anfühlt und gut tut. Vergeben entlässt uns oder andere nicht aus der Verantwortung. Es bedeutet, den eigenen Schmerz loszulassen und sich vom Ballast dieses Kummers zu befreien, als ein Geschenk an uns selbst. Denn die Hälfte der negativen Energie, die wir durch Groll schaffen, bleibt an uns hängen. Was wir anderen antun, tun wir uns selbst an.
Wenn Tiere Auseinandersetzungen austragen, belasten sie sich nicht noch Tage später mit halbverrückten Streitselbstgesprächen. Wir dagegen sind Meister der Kopfschmerzfabrikation und spielen uns unermüdlich die gleiche Platte vor, inklusive Sprung. „Sowas lasse ich nicht mit mir machen. Das ist die Höhe. Was bildet der sich eigentlich ein? So geht’s nicht. Wenn ich den wieder sehe, dann setzt’s aber was. So eine Unverschämtheit. Na warte. Sowas lasse ich nicht mit mir machen. Das ist die Höhe. Was bildet der sich eigentlich...“ – Werden wir so weise wie die Enten, schlagen kurz und heftig mit den Flügeln, schütteln uns mit dem Wasser den Ärger aus den Federn und flattern weiter. Vielleicht gibt’s ja sowieso nicht viel zu vergeben? Von der anderen Seite sieht es anders aus. Das Gegenüber fühlt sich genauso im Recht, sonst wäre der Streit nicht entstanden. Alle tun immer ihr Bestes. Vielleicht mal wieder in den Spiegel schauen, was es da zu erspähen gibt?
Bei Auseinandersetzungen innehalten, „Was habe ich zu dieser Situation beigetragen?“ Die Kommunikation entschärfen, indem wir Sätze mit ich statt Du beginnen. „Ich fühle mich dadurch verletzt“, klingt anders als „Warum musst Du mir immer wehtun mit deiner Trampeligkeit.“ Einen Schritt zurückzutreten und sich die Begebenheit von einem anderen Blickwinkel aus anzusehen, bringt entspannende Relativierung. Sich den Vorfall, der uns aus der Fassung bringt, als Szene einer Seifenoper vorstellen. Wird uns diese Bemerkung in zehn Jahren noch aufregen? Innerer Widerstand ist ein Widerhaken, der uns in einer Situation gefangen hält. Er energetisiert ungeliebte Umstände und verfestigt sie damit. Krampfhaftes Bemühen hindert statt zu helfen. Für etwas sein, anstatt dagegen halten. Ins Fließen kommen durch geduldige Akzeptanz des Gegenwärtigen und einer glasklaren Vorstellung des Erstrebten.
Solange wir Recht behalten wollen, setzen wir damit andere ins Unrecht. Ein Angriff ist wie ein Brief. Wenn wir ihn nicht annehmen, geht er an den Absender zurück. Wenn negative Energie auf uns gerichtet wird, können wir innerlich zur Seite treten und sie an uns vorbeirauschen lassen. Nur wenn sie einen Resonanzboden in uns findet, entsteht ein Drama. In dem Moment, wo wir uns rechtfertigen, akzeptieren wir die Anklage. Wenn wir Konflikten und Unterschieden in Beziehungen bewusst und aktiv begegnen, sind sie inspirierende Quellen des Wachstums. Es geht nie darum, was andere tun oder nicht tun. Es geht darum, welche Reaktion wir wählen. Es ist so viel leichter Kritiker/in zu sein, als Vorbild. Wagen wir den Rollentausch. Nur für ein paar Stunden. Wie lange halten wir durch, zu meinen, was wir sagen und zu sagen, was wir meinen? Wie lange schaffen wir es, Harmlosigkeit im Sinne Gandhis zu praktizieren: weder uns selbst, noch andere oder den Planeten zu
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