Leben, um davon zu erzählen
sah und sagte:
»Möge diese Nacht doch wie Casablanca enden.«
Er sagte nichts weiter, aber seine Stimme erweckte in mir in all seinem Glanz das Bild von Humphrey Bogart und Claude Rains, die Schulter an Schulter durch den Morgendunst auf den leuchtenden Horizont zugehen, und den schon damals legendären Satz des tragischen Happyends: »Dies ist der Anfang einer wunderbaren Freundschaft.«
Drei Stunden später weckte mich Maestro Zabala mit einem weniger glücklichen Satz am Telefon:
»Na, was macht das Meisterwerk?«
Es dauerte einige Minuten, bis ich begriff, dass er meinen Beitrag für den nächsten Tag meinte. Ich kann mich weder daran erinnern, dass wir irgendetwas Genaueres verabredet hatten, noch ob ich auf seine Aufforderung hin, einen ersten Beitrag zu schreiben, zu- oder abgesagt hatte, aber nach der verbalen Olympiade der vergangenen Nacht fühlte ich mich zu allem fähig. So sah es wohl auch Zabala, denn er zählte einige Themen des Tages auf, woraufhin ich ihm ein anderes vorschlug, das mir aktueller schien: die Sperrstunde.
Er gab mir keinerlei Richtlinien. Ich wollte das Abenteuer meiner ersten Nacht in Cartagena erzählen, und das tat ich auch, schrieb mit der Hand, weil ich mit den steinzeitlichen Maschinen in der Redaktion nicht zurechtkam. Es war eine schwere Geburt, die fast vier Stunden dauerte, und der Maestro ging das Manuskript in meiner Gegenwart durch, ohne dass seine Miene mir erlaubt hätte, seine Gedanken zu erraten, bis er dann eine sehr schonende Form fand, es mir zu sagen:
»Das ist nicht schlecht, aber man kann es unmöglich drucken.«
Das überraschte mich nicht. Im Gegenteil, ich hatte es vorausgesehen und war ein paar Minuten lang von der unangenehmen Last, Journalist zu sein, befreit. Aber Zabalas tatsächliche Gründe, die ich nicht kannte, waren entscheidend:
Seit dem 9. April gab es in jeder Zeitung des Landes einen Zensor der Regierung, der sich um sechs Uhr abends an einen Redaktionsschreibtisch setzte, als sei es sein eigener, und die Aufgabe hatte, keinen einzigen Buchstaben zu genehmigen, der auch nur entfernt die öffentliche Ordnung stören könnte.
Zabalas Beweggründe belasteten mich jedoch mehr als die der Regierung, denn ich hatte keinen Zeitungskommentar geschrieben, sondern einen subjektiven Bericht über ein persönliches Erlebnis, ohne jeden journalistisch-politischen Anspruch. Ich hatte die Sperrstunde auch nicht als legitimes Instrument des Staates behandelt, sondern vielmehr als List grober Polizisten, um sich Zigaretten zu einem Centavo zu verschaffen. Bevor Zabala mich zum Tode verurteilte, gab er mir zum Glück meinen Text zurück, den ich ganz umschreiben sollte, nicht für ihn, sondern für den Zensor, und war dann so barmherzig, ein zweischneidiges Urteil zu fällen.
»Der Text hat seine literarischen Meriten, ohne Frage«, sagte er. »Aber darüber sprechen wir später.«
So war er. Schon am ersten Tag in der Zeitung, als Zabala sich mit Zapata Olivella und mir unterhalten hatte, war mir seine merkwürdige Angewohnheit aufgefallen, mit dem einen zu sprechen und dabei dem anderen ins Gesicht zu sehen, während die Glut seiner Zigarette ihm die Finger versengte. Das machte mich zunächst unangenehm unsicher. Das Schlaueste, was mir aus reiner Schüchternheit dazu einfiel, war, ihm sehr aufmerksam und hoch interessiert zuzuhören, dabei aber nicht ihn, sondern Manuel anzuschauen, um dann meine eigenen Schlussfolgerungen aus dem Verhalten von beiden zu ziehen. Später, als wir uns mit Rojas Herazo unterhielten und dann mit Direktor López Escauriaza und noch vielen anderen, wurde mir klar, dass es sich um eine Eigenart Zabalas bei Gesprächen in einer Gruppe handelte. So verstand ich es, und er und ich konnten auf diese Weise über unvorsichtige Komplizen und unschuldige Mittelsmänner Gedanken und Gefühle austauschen. Nachdem mit den Jahren das Vertrauen gewachsen war, traute ich mich, ihm diesen Eindruck mitzuteilen, woraufhin er mir keineswegs überrascht erklärte, er wende dem Gesprächspartner fast das Profil zu, um ihm nicht den Zigarettenrauch ins Gesicht zu blasen. Er war so: Ich habe nie jemanden gekannt, der so liebenswürdig und vorsichtig war und ein so ziviles Wesen hatte wie er, denn es gelang ihm, immer das zu sein, was er sein wollte: ein weiser Mann im Hintergrund.
Bis dahin hatte ich eigentlich nur Reden und unreife Verse in Zipaquira geschrieben, dazu patriotische Aufrufe und Protesteingaben wegen des schlechten Essens;
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