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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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sollte das Haus nicht verlassen. Ich schrieb mehrere Anfänge und entwarf Charaktere, denen ich Familiennamen gab, die mir später für andere Bücher nützlich waren. Ich bin sehr empfindlich, was die Schwachstelle eines Satzes angeht, in dem sich etwa zwei nah beieinander stehende Worte reimen, selbst wenn es sich nur um einen unreinen Reim handelt, und veröffentliche den Text lieber nicht, bis ich nicht eine andere Lösung gefunden habe. Deshalb war ich oft drauf und dran, auf den Namen Buendía zu verzichten, wegen des unvermeidlichen Reims mit der Endung ía beim Imperfekt im Spanischen. Dennoch hat sich dieser Nachname am Ende durchgesetzt, weil es mir gelungen war, ihn mit einer überzeugenden Identität zu verbinden.
    Mit solchen Dingen beschäftigte ich mich gerade, als in unserem Haus in Sucre eine Holzkiste ankam, auf der weder ein Name stand noch sonst etwas aufgemalt war. Meine Schwester Margot hatte sie angenommen, wusste nicht von wem und war überzeugt, dass es sich dabei um Überbleibsel aus der verkauften Apotheke handelte. Ich glaubte das auch und frühstückte seelenruhig mit der Familie. Mein Vater stellte klar, dass er die Kiste nicht geöffnet habe, weil er der Überzeugung gewesen sei, es handele sich um mein restliches Gepäck, und bedachte dabei nicht, dass mir in dieser Welt nicht einmal die Reste von irgendetwas geblieben waren. Mein Bruder Gustavo, der mit dreizehn Jahren bereits reichlich Übung darin hatte, alles Mögliche zu vernageln oder aufzubrechen, beschloss, die Kiste ohne Erlaubnis zu öffnen. Minuten später hörten wir seinen Schrei:
    »Es sind Bücher!«
    Mein Herz machte zuerst einen Satz, dann ich. Tatsächlich, es waren Bücher, doch es gab keine Spur vom Absender der Kiste, die bis oben hin fachmännisch gepackt war, es fand sich dann aber ein Brief, der sich wegen Germán Vargas' hieroglyphischer Schrift und seinem hermetischen lyrischen Stil schwer entziffern ließ: »Hier kommt die ganze Chose, Meister, mal sehn, ob Sie endlich was dazulernen.« Auch Alfonso Fuenmayor hatte unterschrieben, daneben ein Gekritzel, das ich als die Unterschrift von Don Ramon Vinyes identifizierte, den ich noch nicht kannte. Als Einziges empfahlen sie mir, kein allzu offensichtliches Plagiat zu begehen. In einem der Bücher von Faulkner lag ein Zettel von Alvaro Cepeda, auf dem in seiner verschnörkelten Schrift eilig geschrieben stand, er fahre in der kommenden Woche nach New York zu einem Spezialkurs an der Journalistenschule der Columbia University.
    Ich stellte zunächst die Bücher auf dem Esszimmertisch aus, während meine Mutter noch das Frühstücksgeschirr wegräumte. Sie musste sich mit einem Besen bewaffnen, um die kleineren Geschwister zu verscheuchen, die mit der Gartenschere die Illustrationen aus den Büchern schneiden wollten, und die Straßenköter, die an den Büchern schnupperten, als wäre es etwas zum Fressen. Auch ich roch daran, wie ich es bei jedem neuen Buch tue, und blätterte dann, las zufällig einen Absatz und sprang zum nächsten. Nachts wechselte ich drei- oder viermal den Platz, weil ich keine Ruhe fand oder mich das matte Licht auf der Patioveranda ermüdete, und ich wachte mit steifem Rücken auf und hatte noch immer keine Ahnung, welchen Nutzen ich aus diesem Wunder ziehen konnte.
    Es waren dreiundzwanzig ausgewählte Werke zeitgenössischer Autoren, alle auf Spanisch, und sie waren eindeutig zu dem Zweck ausgewählt worden, dass ich sie las, damit ich schreiben lernte. Ganz neue Übersetzungen befanden sich dabei, wie Schall und Wahn von William Faulkner. Fünfzig Jahre später kann ich mich nicht mehr an die vollständige Liste erinnern, und die drei ewigen Freunde, die es gewusst hätten, sind nicht mehr da, um sich daran zu erinnern. Ich hatte nur zwei der Bücher schon gelesen: Mrs. Dalloway von der alten Woolf und Kontrapunkt des Lebens von Aldous Huxley. Am besten kann ich mich an die Bücher von William Faulkner erinnern: Das Dorf, Schall und Wahn, Als ich im Sterben lag und Wilde Palmen. Auch an Manhattan Transfer und vielleicht noch ein anderes Werk von John Dos Passos; Orlando von Virginia Woolf; Von Mäusen und Menschen und Die Früchte des Zorns von John Steinbeck, Jenny von Robert Nathan und Die  Tabakstraße von Erskine Caldwell. Unter den Titeln, an die ich mich aus dem Abstand von einem halben Jahrhundert nicht mehr erinnere, war zumindest einer von Hemingway, wahrscheinlich Kurzgeschichten, die den dreien aus Barranquilla am besten

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