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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Kind«, seufzte meine Mutter, »Gott sagt mir alles, was mit euch zu tun hat.«
    Am Ende half sie mir noch die durchgeweichten Hosen auszuziehen und warf sie zum Rest der Kleider in die Ecke. »Ihr werdet alle genau wie dein Vater«, sagte sie plötzlich mit einem tiefen Seufzer, während sie mir den Rücken mit einem rauen Handtuch abtrocknete. Und schloss aus ganzer Seele:
    »Gebe Gott, dass ihr auch so gute Ehemänner werdet wie er.«
    Die dramatische Fürsorge, die mir meine Mutter angedeihen ließ, hatte wohl ihre Wirkung und verhinderte, dass ich nach der Lungenentzündung einen Rückfall erlitt. Bis mir klar wurde, dass sie ihre Sorge grundlos übertrieb, weil sie verhindern wollte, dass ich in jenes Bett der Donner und Blitze zurückkehrte. Ich sah Nigromanta nie wieder.
    Wiederhergestellt und fröhlich kam ich mit der Neuigkeit nach Cartagena zurück, dass ich an La casa schrieb, und ich sprach von dem Roman wie von einer abgeschlossenen Sache, obwohl ich gerade erst beim Anfangskapitel war. Zabala und Héctor empfingen mich wie den verlorenen Sohn. An der Universität schienen sich meine lieben Professoren damit abgefunden zu haben, dass sie mich nehmen mussten, wie ich war. Weiterhin schrieb ich gelegentlich kleine Beiträge für El Universal, für die ich übermäßig bezahlt wurde. Meine Laufbahn als Erzähler setzte ich mit dem wenigen fort, was ich, fast um Maestro Zabala nicht zu enttäuschen, aufs Papier brachte: Zwiesprache des Spiegels und Bitterkeit für drei Schlafwandler. Beide Erzählungen wurden von El Espectador veröffentlicht. Obwohl in ihnen die unausgegorene Rhetorik der ersten vier Erzählungen sichtlich zurückgedrängt ist, hatte ich mich noch nicht aus dem Sumpf befreit.
    Die politischen Spannungen im Land hatten inzwischen auch Cartagena verpestet, und das musste als Vorzeichen für Schlimmes angesehen werden. Am Ende des Jahres hatten die Liberalen wegen der grausamen politischen Verfolgung jede Zusammenarbeit aufgekündigt, nicht aber ihre geheimen Pläne zum Sturz der Regierung aufgegeben. Auf dem Lande verschärfte sich die violencia, und die Menschen flohen in die Städte, doch die Zensur verhinderte eine klare Berichterstattung. Es war allerdings allgemein bekannt, dass die in die Enge getriebenen Liberalen an mehreren Stellen des Landes Guerrillaeinheiten gebildet hatten. In den Llanos im Osten einer riesigen Graslandschaft, die ein gutes Viertel des nationalen Territoriums ausmacht - wurden diese Guerrillas zur Legende. Ihr Kommandeur, Guadalupe Salcedo, galt, sogar beim Heer, bereits als mythische Größe, und Fotos von ihm wurden heimlich verteilt, hundertfach vervielfältigt und mit brennenden Kerzen auf die Altäre gestellt.
    Die De la Espnella wussten anscheinend mehr, als sie sagten, und innerhalb der Stadtmauern wurde ganz selbstverständlich von einem bevorstehenden Staatsstreich der Liberalen gegen die konservative Regierung gesprochen. Ich kannte keine Einzelheiten, Maestro Zabala hatte mir aber gesagt, ich solle sofort in die Zeitung kommen, sobald ich auf der Straße Anzeichen für einen Aufruhr bemerkte. Die Spannung war mit Händen zu greifen, als ich um drei Uhr nachmittags zu einer Verabredung ins Eiscafe Americana ging. Ich setzte mich an einen abgelegenen Tisch, um dort, während ich auf meinen Gesprächspartner wartete, zu lesen, als einer meiner ehemaligen Schulkameraden, mit dem ich nie über Politik geredet hatte, bei mir vorbeikam und ohne mich anzublicken sagte:
    »Lauf schnell zur Zeitung, es geht gleich los.«
    Ich tat das Gegenteil: Ich wollte wissen, was sich mitten in der Stadt abspielte, statt mich in der Redaktion einzuschließen. Ein paar Minuten später setzte sich ein Presseoffizier der Bezirksregierung an meinen Tisch; ich kannte ihn gut und kam nicht auf den Gedanken, dass er auf mich angesetzt sein könnte, um mich zu neutralisieren. Ich hatte mich in aller Unschuld über eine halbe Stunde lang mit ihm unterhalten, als er aufstand, um zu gehen, und ich entdeckte, dass der große Saal des Eiscafes sich geleert hatte, ohne dass es mir aufgefallen war. Erfolgte meinem Blick und schaute auf die Uhr: ein Uhr zehn.
    »Keine Sorge«, sagte er mit verhohlener Erleichterung, »es ist nichts passiert.«
    Tatsächlich aber hatte eine Gruppe der wichtigsten liberalen Führer sich in ihrer Verzweiflung über die offizielle Gewalt mit demokratisch gesinnten ranghohen Militärs abgesprochen. Sie wollten das Gemetzel beenden, das die konservative

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