Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition)
bunten Gesichtern anstarren. Es fällt auf, ist anders, wie ein Weißer inmitten von Schwarzen. Wie sollen wir die Maske von uns nehmen, solange wir keine Hand dafür frei haben? Eine Hand für den Halt, die andere für das Balancieren, das Aufrechthalten.
Ich verabscheue diese Masken, weshalb ich seit langem keine mehr trage oder besser keine mehr tragen brauche, da ich nicht wie ein Fisch im Meer, sondern mehr wie ein Kamel in der Wüste lebe. War es das, wovor ich Angst hatte? Angst, mich wieder verstellen zu müssen, fröhlich zu sein, obwohl ich innerlich trauriger denn je bin.
Suchst du die große Liebe? Wenn wir es tun, warum tun wir es gleichzeitig nicht, warum suchen wir nicht? Müssen die, die einen verstehen, erst geboren werden? Nein, schreie ich, denn nicht die Suche, sondern der Karneval ist Schuld. Es gibt sie, Massen von ihnen, die andere verstehen würden, legten sie nur ihre hässlichen, unehrlichen Masken ab.
Gibt es überhaupt etwas, das stärker als Freundschaft, enger als die Verwandtschaft, größer als die größte Liebe und vertrauter als die eigene Familie ist?“
Ich traute meinen Augen nicht. Seit wann begann ich wieder zu philosophieren? Seit wann schrieb ich wieder, ohne darüber nachzudenken?
Ich überlegte, den Text zu löschen oder wenigsten noch eine Begrüßung und eine Verabschiedung darunter zu setzen, doch würde das Letztere die Philosophie nur zerbrechen und dem Inhalt seines Ernstes bestehlen. Somit klickte ich auf ‚Senden’ und eh ich mich versah, war die E-Mail abgeschickt und all das nicht mehr umkehrbar.
Ich wusste nicht einmal, ob ich es überhaupt rückgängig machen wollte. Vergeblich schüttelte ich den Kopf und klappte den Laptop einfach zu, ohne mich ausgeloggt, geschweige denn den Computer richtig hinuntergefahren zu haben.
Ich hatte seit Monaten wieder jemanden kennen gelernt und schien mir das gewonnene Gespräch durch eine irrsinnige E-Mail bereits nach wenigen Minuten verdorben zu haben. Das unbekannte Mädchen hatte sicherlich viele Freunde, eine Familie und genug Beschäftigung, um einem Spinner wie mir nicht hinterher zu trauern. Meine Mail an sie war peinlich gewesen und hatte lediglich depressiv geklungen.
Wie in Trance saß ich nun da und versuchte, das soeben Geschehene zu verarbeiten. Ich wollte und musste mich ablenken. Gedankenverloren stand ich kurz auf, griff nach der Fernbedienung und schaute mir nun einige belanglose Shows im Fernsehen an.
Immer wieder dachte ich darüber nach, den Laptop zu öffnen und nach meinen E-Mails zu sehen. Trotz allem siegte doch mehr die Angst davor, nicht eine einzige Mail vorzufinden. Somit beließ ich es dabei und verbrachte den Rest des Tages in meinem Bademantel auf der Couch und versuchte mich mit dem niedrigen Niveau, das uns das Fernsehen heutzutage bot, abzulenken.
Erst spät am Nachmittag, als mein knurrender Magen mich zurück ins Leben riss, wagte ich es, doch noch einen Blick in mein virtuelles Postfach zu werfen.
II
Enttäuschung
Aus der Nervosität heraus schaffte ich es doch tatsächlich, mich mehrfach falsch einzuloggen und jedes Mal in das Startmenü zurück katapultiert zu werden. Meine schwitzigen Finger strengten sich an, die richtige Tastenkombination zu finden und endlich konnte ich erfolgreich meine Post einsehen.
Ich hatte eine neue Mail.
Mein Herzschlag begann sich zu beschleunigen, mein Atem wurde unregelmäßiger. Man mochte behaupten, dass meine Reaktionen völlig übertrieben seien und doch durfte man nicht außer Acht lassen, dass ich monatelang Kontakt zu niemandem außer meiner Nachbarin gehegt hatte. Ich kannte mich außerhalb meiner vier Wände kaum noch aus und war zu jemandem geworden, der Veränderungen scheut. Ich kannte das unbekannte Mädchen nicht einmal und doch tat es mir unverhofft gut, nach vielen leeren Tagen endlich wieder mit jemandem Worte ausgetauscht zu haben.
Ich klickte mit dem Mauszeiger auf eben die Schrift, die mir eine neue Mail ankündigte und fand als Absender niemand anderes als ‚Lonely’ vor. Ein hastiges Lächeln berührte meine Lippen und ohne länger warten zu können, nahm ich mir den unbekannten Brief vor.
„Deine Mail war ja nun doch etwas ungewöhnlich und ich wusste nicht wirklich, ob ich mich darüber amüsieren oder lieber nachdenklich werden sollte. So jemand wie dir ist mir lange nicht mehr begegnet. Eigentlich ist mir so jemand wie dir noch nie begegnet. Ich wüsste wirklich gern mehr über dich und obgleich es dir -
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