Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition)
bewusst wurde, dass wir unsere Namen noch immer nicht ausgetauscht hatten.
Ich warf erneut einen Blick auf die Uhr und wusste, dass ich lieber rechtzeitig damit beginnen sollte, mein Aussehen etwas aufzufrischen, um jedenfalls gepflegt wirken zu können.
Ich huschte also in mein Badezimmer, riss mir den Bademantel vom Leib und ignorierte den Blick in den verstaubten Spiegel. Jede Erkenntnis darüber, dass ich armselig aussah, würde mich nur mehr befürchten lassen, dass dieser gewagte Schritt nicht das gewünschte Ziel hervorbringen würde.
Ich befreite mich aus meinem Schlafanzug und bemerkte, wie dürr ich in den vergangenen Wochen geworden war. Meine Haut war blass und knochig. Um diesem depressiven Gedankenkreis zu entkommen, flüchtete ich schleunigst unter die Dusche. Die warmen Wassertropfen bildeten Linien mit etlichen Verzweigungen auf meiner kühlen Haut. Ich genoss diese Wärme. Vorsichtig griff ich nach der weißen Tube Duschgel, die nach frischen Kokosnüssen und Sommer duftete. Ich schäumte mich damit ein und sog den angenehmen Geruch ein, um daraufhin den Duschstrahl zu unterbrechen. Klitschnass verließ ich die Dusche, wischte mit meinem Handtuch über den beschlagenen Spiegel, griff dann nach meinem Rasierer und begann mir die Stoppeln aus dem Gesicht zu entfernen. In diesem Moment war ich dankbar darüber, dass ich mich jedenfalls regelmäßig um meine Gesichtspflege gekümmert hatte. Auch hierbei ließ ich mir Zeit, stieg daraufhin ein weiteres Mal kurz unter die Dusche und wickelte dann meinen vor Kälte zitternden Körper in ein großes, weißes Handtuch. Ich cremte mich ein, putzte mir die Zähne, gelte meine Haare ein wenig und verließ das Badezimmer für kurze Zeit. Über die Kleidung musste ich mir glücklicherweise nicht viele Gedanken machen. Ich hatte eine saubere, leider etwas eng sitzende Jeans und ein dazu passendes weißes T-Shirt. Zusätzlich griff ich nach einer engen Boxershorts, die unter der Jeans nicht so auffallen würde und einem Paar Socken. Ich probierte die Kleidungskombination an, strich noch einmal mit meiner gefächerten Hand durch die Haare und wagte mich endgültig vor den Badezimmerspiegel. Mangelndes Selbstbewusstsein hatte ich monatelang durch mein Leben gezogen, doch musste ich in diesem Moment tatsächlich zufrieden grinsen. Ich war noch immer sehr blass und auch die Augenränder ließen sich zunächst nicht verbergen. Dennoch stand mir die ausgesuchte Kleidung recht gut. Sie ließ mich nicht zu dürr aussehen. Meine Frisur wirkte auf eine gewisse Weise frech. Vereinzelte Strähnen hingen in mein Gesicht und meine braunen Augen wirkten um einiges hoffnungsvoller, als sie es je in letzter Zeit getan hatten.
In diesem Moment klingelte es an meiner Haustür. Irritiert zupfte ich mir mein T-Shirt zurecht und eilte aus dem Bad. Als ich die Tür öffnete, stand niemand anderes als meine Nachbarin vor der Tür. Sie blickte gen Boden und murmelte etwas in ihrer rauen Stimme, drückte mir eine Einkaufstasche entgegen und sah mich dann entsetzt an.
„Ach, du lieber Herr!“, sie griff in ihre graue Manteltasche, holte ein Brillenetui heraus und setzte die Brille mit übergroßen Gläsern auf. Vorsichtig schritt sie näher auf mich zu. Ein trockener Geruch stieg mir in die Nase. Es roch nach Lavendel und feuchter Kleidung. Ich war diesen Gestank, der Mottenfernhaltebeuteln ähnelte, gewohnt, doch musste ich jedes Mal wieder davon niesen. Ich hielt mir die Hand vor die Nase und blickte dann zurück in die durch die Brille stark vergrößerten Augen, um sie dann etwas verwirrt anzusehen und meine Augenbrauen zu runzeln.
„Dass ich das noch erleben darf …“, fuhr sie in ihrer rauen Stimme fort und stellte die Einkaufstasche, die ich bislang nicht entgegengenommen hatte, in den Türrahmen.
Ich neigte meinen Kopf skeptisch zur Seite und kniff die Lippen unsicher zusammen.
„Wo wollen Sie denn hin, mein Guter?“, fragte sie und verzichtete nach vielen Wochen noch immer auf ein schlichtes du.
Ich zuckte erneut mit den Schultern, bückte mich dann und schob die Tasche in meine Wohnung. Ich bekam kein Kleingeld zurück und nie eine Quittung. War diesen Ablauf aber bereits gewohnt und gönnte der alten Dame das bisschen Geld.
„Das muss ja eine Frau sein, mein Lieber! Die muss Ihnen ja ordentlich einen auf den Deckel gegeben haben“, sie lachte auf und klopfte mir auf meinen linken Oberarm. „Na, ich will Sie ja auch nicht länger stören. Wissen Sie, ich will
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