Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
die radikale Hitze und Feuchtigkeit beim gemeinen Soldaten aber ist, mit Euer Gnaden Erlaubniß, ebenfalls Grabenwasser und ein Schluck Wachholderbranntwein: – und wenn man davon nur genug bekommt nebst einer Pfeife Tabak, um Einen bei Laune zu erhalten und die Dünste zu vertreiben, – dann kennt unser Eines keine Todesfurcht.
Ich weiß nicht, Capitain Shandy, sagte
Dr.
Slop, in welcher Wissenschaft Ihr Diener mehr hervorragt, in der Physik oder in der Theologie. –
Dr.
Slop hatte Trims Commentar zu jener Predigt nicht vergessen.
Es ist noch keine Stunde, bemerkte Yorick, daß der Corporal in der letzteren geprüft wurde und sehr ehrenvoll bestand.
Die radikale Hitze und Feuchtigkeit, sagte
Dr.
Slop gegen meinen Vater gewendet, müssen Sie wissen, ist die Basis, das Fundament unseres Daseins, – wie die Wurzel eines Baums die Quelle und Grundlage seines Wachsthums ist. – Sie ist im Samen aller Animalien enthalten und kann auf verschiedene Art erhalten werden; hauptsächlich aber, nach meiner Ansicht, durch gleichartige Stoffe, durch Druck und Verschluß. – Nun hat dieser arme Bursche, fuhr
Dr.
Slop fort und deutete auf den Corporal, das Unglück gehabt, irgend ein oberflächliches empirisches Gespräch über diesen schönen Punkt zu hören. – Das hat er, – sagte mein Vater. – Aller Wahrscheinlichkeit nach, sagte mein Onkel. – Ganz gewiß. – setzte Yorick hinzu.
159. Kapitel.
Da
Dr.
Slop hinausgerufen wurde, um nach einem Kataplasma zu sehen, das er verordnet hatte, so erhielt mein Vater hierdurch Gelegenheit, ein weiteres Kapitel in der
Tristra-paedia
anzufangen. – Heran, Bursche, Muth gefaßt! ich will euch Land zeigen; – denn, wenn wir uns durch das nächste Kapitel vollends hindurch gearbeitet haben, soll das Buch vor zwölf Monaten nicht wieder geöffnet werden. – Hussa!
160. Kapitel.
Fünf Jahre mit einem Schlappentuch unter dem Kinn.
Vier Jahre in Bewegung von Christ-croß-row nach Malachi.
Anderthalb Jahr damit beschäftigt, seinen Namen schreiben zu lernen.
Sieben lange Jahre und mehr auf Griechisch und Lateinisch τύπτω-end.
Vier Jahre vor seinen Beweisen und Negationen, – wobei die schöne Statue noch immer mitten in ihrem Marmorblock liegt und man nichts thut als daß man die Werkzeuge schärft, mit denen man sie heraushauen will! – Eine tägliche Verzögerung! – War nicht der große Julias Scaliger in dem Fall, seine Instrumente um ein Haar gar nicht scharf zu kriegen? – Erst mit 44 Jahren vermochte er sein Griechisch ordentlich zu handhaben, – und Peter Damianus, Fürstbischof von Ostia, konnte wie alle Welt weiß, nicht einmal lesen, als er schon das Mannes-Alter erreicht hatte; – und Baldus selbst, so bedeutend er in der Folge wurde, begann das Rechtsstudium so spät im Leben, daß Jedermann glaubte, er wolle erst im Jenseits Advokat werden. Da darf man sich nicht wundern, daß Eudamidas, der Sohn des Archidamas, als er Xenokrates mit fünfundsiebzig Jahren über die Weisheit disputiren hörte, alles Ernstes fragte: Wie viel Zeit wird denn der alte Mann noch haben, um seine Weisheit anzuwenden, wenn er jetzt erst darüber nachforscht und disputirt?
Yorick hörte meinem Vater mit großer Aufmerksamkeit zu; die seltsamsten Grillen des letztern waren doch immer in merkwürdiger Weise mit Klugheit gewürzt; an den dunkelsten Stellen seiner Verfinsterungen hatte er oft solche Lichterscheinungen, daß sie fast für jene entschädigten. – Seien Sie vorsichtig, mein Herr, wenn Sie's ihm nachmachen wollen.
Ich bin überzeugt, Yorick, fuhr mein Vater halb vorlesend, halb sprechend fort, daß es in der Welt des Geistes eine nordwestliche Durchfahrt gibt; das heißt, daß es für die Seele eines Menschen kürzere Wege gibt, um sich Kenntnisse und Belehrung zu verschaffen, als wir im Allgemein einschlagen. – Aber leider hat nicht jedes Ackerfeld einen Fluß oder eine Quelle, die neben ihm herläuft; – nicht jedes Kind, Yorick, hat einen Vater, der ihm jenen Weg zeigen kann.
Das Ganze, Herr Yorick, fuhr mein Vater in einem leiseren Tone fort, hängt lediglich von den Hilfszeitwörtern ab.
Wenn Yorick auf Virgils Natter getreten wäre, hätte er nicht erschrockener emporsehen können. – Auch ich bin hievon überrascht, rief mein Vater, als er dies bemerkte; – und ich halte es für eines der größten Mißgeschicke, das je die Gelehrtenrepublik traf, daß diejenigen, welche mit der Erziehung unserer Kinder betraut sind und deren Geschäft es
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