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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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die anderen blickten sich ständig um, die Dritten suchten ihre Angst mit Witzen zu besiegen: »Hier braucht man wenigstens keine Streichhölzer. Man kann sich die Zigarette an der Wolga und am Wind anzünden.« Wieder andere betasteten sich und schüttelten den Kopf, wenn sie die Hitze der metallenen Riemenschnallen fühlten.
    Ein paar Detonationen waren zu hören, das waren die Handgranaten, die in den Unterständen des Stabsschutzbataillons explodiert waren. Dann knatterten die Patronen in den Maschinengewehrgurten los. Eine deutsche Wurfgranate pfiff durch das Feuer und ging weit draußen in der Wolga hoch. Durch den Rauch verschleiert, tauchten entfernte menschliche Gestalten am Ufer auf – offenbar versuchte jemand, das Feuer vom Gefechtsstand wegzuleiten. Im nächsten Augenblick verschwand wieder alles in Feuer und Rauch.
    Als Krylow nun auf das rings um ihn flutende Feuer sah, kamen ihm keine Erinnerungen mehr, verglich er nicht mehr. Er fragte sich, ob denn die Deutschen gleichzeitig mit dem Brand nicht auch einen Angriff angesetzt hatten. Die Deutschen wussten nicht, an welcher Stelle sich das Armeeoberkommando befand; der Gefangene von gestern glaubte nicht daran, dass der Generalstab des Armeeoberkommandos auf dem rechten Ufer seinen Standort hatte. Es handelte sich offensichtlich um eine vereinzelte Operation, das hieß, es bestanden Chancen, bis zum Morgen zu überleben. Wenn nur kein Wind aufkam.
    Er warf einen Blick auf den neben ihm stehenden Tschuikow; der beobachtete aufmerksam die Feuersbrunst, die um ihn tobte. Sein Gesicht schien unter dem Ruß wie aus glühendem Kupfer. Er nahm die Feldmütze ab, fuhr sich mit der Hand über das Haar und sah dabei wie ein schweißüberströmter Dorfschmied aus. Dann schaute er hinauf in die tosende Feuerkuppel, betrachtete die Wolga, wo zwischen den züngelnden Flammen die Dunkelheit durchbrach. Krylow dachte, dass den Armeeführer wohl jetzt die gleichen Fragen beschäftigten, die auch ihn nicht losließen: Setzen die Deutschen nachts zu einem Großangriff an? Wo soll der Stab untergebracht werden, wenn man bis zum Morgen warten muss?
    Tschuikow, der den Blick des Stabschefs spürte, lächelte ihm zu, beschrieb mit der Hand einen großen Kreis über dem Kopf und sagte:
    »Teufel noch mal, ist das schön, was?«
    Die Fackel des Brandes war aus Krasni Sad jenseits der Wolga, wo das Stabsquartier der Stalingradfront gelegen war, gut zu sehen. Der Stabschef, Generalleutnant Sacharow, hatte zuerst die Nachricht von dem Brand erhalten und Jeremenko darüber Meldung erstattet; der Befehlshaber hatte Sacharow gebeten, persönlich zur Nachrichtenzentrale zu gehen und mit Tschuikow zu sprechen. Sacharow eilte, geräuschvoll atmend, den Pfad entlang. Der Adjutant, der ihm mit der Taschenlampe leuchtete, rief von Zeit zu Zeit: »Vorsicht, Genosse General!«, und schob mit der Hand die über den Pfad hängenden Apfelbaumzweige zurück. Der ferne Feuerschein erhellte die Baumstämme, sprenkelte rosafarbene Flecken über die Erde. Dieses verschwommene Licht erfüllte die Seele mit Unruhe. Die Stille, die ringsum in der Luft stand und nur durch die halblauten Anrufe der Posten gebrochen wurde, ließ das stumme, fahle Feuer noch unheimlicher erscheinen.
    In der Nachrichtenzentrale sagte die diensthabende Telefonistin mit einem Blick auf den schwer atmenden Sacharow, dass es mit Tschuikow keine Verbindung gebe, weder telefonisch noch telegrafisch, noch über Funk.
    »Mit den Divisionen?«, fragte Sacharow kurz angebunden.
    »Gerade eben, Genosse Generalleutnant, hatten wir eine Verbindung mit Batjuk.«
    »Also los, rasch!«
    Die Telefonistin wagte nicht, Sacharow anzusehen, da sie fürchtete, dass er jeden Augenblick explodieren könnte, sein schwieriger, reizbarer Charakter war allen bekannt. Aber plötzlich rief sie erleichtert: »Es hat geklappt. Bitte, Genosse General«, und reichte Sacharow den Hörer.
    Der Stabschef der Division war am anderen Ende der Leitung. Wie das Telefonfräulein, so erschrak auch er, als er den schweren Atem und die mächtige Stimme des Frontstabschefs hörte.
    »Was geht bei Ihnen vor? Melden Sie! Haben Sie mit Tschuikow Verbindung?«
    Der Divisionsstabschef berichtete über den Brand der Öltanks, darüber, dass die Feuerwelle den Gefechtsstand des Armeestabs überrollt habe, dass es bei der Division keine Verbindung zum Armeeführer gebe, dass dort offensichtlich nicht alle umgekommen seien, denn durch Feuer und Rauch hindurch seien Menschen zu

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