Leben und Schicksal
metallene Gewölbe, durch Nietpunktierungen in Quadrate unterteilt, schien ihn zu erdrücken …
Er hörte laute Schreie, eine Unterwasserbombe war explodiert, Wasser stürzte herein, riss ihn von der Koje. Krylow öffnete die Augen, ringsum war Feuer, an der aufgerissenen Tür des Unterstands vorbei wälzte sich ein Flammenstrom zur Wolga, Menschen schrien, Maschinenpistolen krachten.
»Den Mantel, den Mantel über den Kopf!«, schrie ein unbekannter Rotarmist Krylow zu und hielt ihm den Soldatenmantel hin. Doch Krylow schüttelte den Rotarmisten ab und brüllte:
»Wo ist der Befehlshaber?«
Plötzlich hatte er begriffen: Die Deutschen hatten die Öltanks in Brand gesteckt, und das brennende Öl strömte zur Wolga.
Es schien, als gäbe es schon keine Möglichkeit mehr, diesem fließenden Feuer lebend zu entkommen. Das Feuer toste, prasselnd erhob es sich über dem Öl, das Gruben und Trichter auffüllte und in die Laufgräben einströmte. Ölgetränkt begannen Erde, Lehm und Stein zu qualmen. Das Öl quoll in schwarzen, glänzenden Strahlen aus den von Brandgeschossen durchsiebten Behältern. Es war, als würden riesige Ballen von Feuer und Qualm aufgerollt, die bis dahin in Zisternen verwahrt gewesen waren.
Das Leben, das auf der Erde vor mehreren hundert Millionen Jahren seine Triumphe gefeiert hatte, das gewaltige, grausige Leben der Urzeitungeheuer, brach durch die Krusten seines Grabes, brüllte wieder, stampfte, heulte, verschlang gierig alles um sich herum. Das Feuer rauchte viele hundert Meter in die Höhe und trug Wolken brennenden Dampfes fort, die, detonationsgleich, hoch im Himmel aufloderten. Das Flammenmeer war so groß, dass der Sturm kaum noch Macht darüber hatte, und ein dichtes schwarzes, wogendes Gewölbe trennte den herbstlichen Sternenhimmel von der brennenden Erde. Es war grauenhaft, von unten zu diesem strömenden, fettigen schwarzen Firmament aufzuschauen.
Die in die Höhe strebenden Feuer- und Rauchsäulen nahmen für Augenblicke die Gestalt von Lebewesen in höchster Wut und Verzweiflung an; dann erschienen sie wieder wie schlanke, schwankende Bäume. Schwarze und rote Feuerfetzen drehten sich im Kreis wie im Tanz wirbelnde Mädchen mit aufgelöstem rotem und schwarzem Haar.
Das brennende Öl verteilte sich flach auf dem Wasser; es zischte, rauchte und krümmte sich, von der Strömung erfasst.
Das Erstaunliche war, dass viele Kämpfer schon in diesen Minuten wussten, wie man sich zum Wasser durchschlagen konnte. Sie schrien: »Hierher, renn hierher, auf dem Pfad geht’s lang!« Einige von ihnen waren schon mehrmals zwischen den in Flammen stehenden Unterständen hin und her gerannt, um den Stabsleuten dabei zu helfen, einen Vorsprung auf dem Ufer zu erreichen, wo ein Häuflein Geretteter zwischen den sich in die Wolga wälzenden Ölströmen stand.
Männer in wattierten Jacken halfen dem Armeeoberbefehlshaber und den Stabsoffizieren zum Ufer hinunter. Diese Männer trugen General Krylow, den sie schon für tot hielten, auf ihren Armen aus dem Feuer und arbeiteten sich mit versengten Wimpern blinzelnd aufs Neue durch das rote Gestrüpp zu den Unterständen des Stabes durch.
Bis zum Morgen standen die Stabsangehörigen der 62. Armee auf diesem kleinen Vorsprung direkt in der Wolga. Das Gesicht vor der glühenden Luft schützend, sich die Funken aus der Kleidung schüttelnd, beobachteten sie ihren Armeeoberbefehlshaber. Er trug die Uniform der Roten Armee und einen Soldatenumhang; unter der Feldmütze hervor fielen ihm die Haare in die Stirn. Sein Blick war düster, aber er schien ruhig und gefasst.
Gurow sagte mit einem Blick auf die Umstehenden: »Offenbar verbrennen wir nicht einmal im Feuer«, und betastete die glühend heißen Knöpfe seiner Uniform.
»Heda, Soldat mit der Schaufel«, schrie der Führer der Pioniertruppe, General Tkatschenko, »graben Sie hier schnell eine Rinne, da fließt das Feuer schon von der Anhöhe herunter!«
Zu Krylow sagte er: »Die Welt steht kopf, Genosse General, das Feuer fließt wie Wasser, und die Wolga brennt wie Feuer. Ein Glück, dass kein starker Wind geht, sonst hätte es uns alle verschmort.«
Als ein leichter Wind von der Wolga her aufkam, schwankte das schwere Zelt der Feuersbrunst, neigte sich, und die Menschen wichen vor den sengenden Flammen zurück.
Einige von ihnen gingen ans Ufer, benetzten die Stiefel kurz mit Wasser, und das Wasser verdampfte auf den heißen Stiefelschäften. Die einen schwiegen und starrten auf die Erde,
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