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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Augen: »Was will er? Sich absichern oder dem Jagdbomberkommandeur eins auswischen?«
    Finster fügte Nowikow hinzu: »Gut, dass es keine direkten Treffer gab. Bombardieren können die nicht.«
    Jeremenko sagte: »Ach, lassen wir das. Sie werden euch schon auch noch helfen und ihren Fehler wieder ausbügeln.«
    Getmanow schaltete sich ein: »Natürlich, Genosse Frontkommandeur, wir werden doch nicht mit der Stalin’schen Luftwaffe hadern.«
    »Eben, eben, das meine ich auch, Genosse Getmanow«, sagte Jeremenko und fragte: »Na, waren Sie schon bei Chruschtschow?«
    »Morgen bin ich zu Nikita Sergejewitsch befohlen.«
    »Kennt er Sie aus Kiew?«
    »Ich habe fast zwei Jahre mit Nikita Sergejewitsch zusammengearbeitet, Genosse Kommandeur.«
    »Sag mal, Genosse General«, wandte sich Jeremenko an Neudobnow, »hab ich dich nicht mal bei Tizian Petrowitsch getroffen?«
    »Ganz recht«, nickte Neudobnow. »Tizian Petrowitsch hatte Sie damals zusammen mit Marschall Woronow zu sich kommen lassen.«
    »Stimmt.«
    »Ich war eine Zeitlang auf Wunsch von Tizian Petrowitsch als Volkskommissar zu ihm abkommandiert; deshalb war ich bei ihm zu Hause.«
    »Soso – da sehe ich also ein bekanntes Gesicht«, sagte Jeremenko, und um Neudobnow sein Wohlwollen zu bekunden, fügte er hinzu: »Langweilst du dich nicht in der Steppe, Genosse General? Hoffentlich fehlt es dir an nichts?«
    Er nickte befriedigt, ohne die Antwort abzuwarten.
    Als die Besucher gingen, rief Jeremenko Nowikow noch einmal zurück: »Oberst, komm mal her.«
    Nowikow drehte sich in der Tür um, und Jeremenko sagte, seinen fülligen Körper beim Aufstehen über den Tisch schiebend, rau: »Der eine hat mit Chruschtschow zusammengearbeitet und der andere mit Tizian Petrowitsch. Du aber, du Hundesohn, bist ein echter Soldatenknochen. Denk dran. Du musst mir das Korps durch die feindlichen Linien bringen.«
    37
    An einem dunklen, kalten Morgen wurde Krymow aus dem Lazarett entlassen. Er ging nicht in sein Quartier, sondern gleich zum Chef der Front-Politverwaltung, General Toschtschejew, um über seinen Auftrag in Stalingrad zu berichten.
    Krymow hatte Glück – Toschtschejew war seit dem frühen Morgen in seinem Büro, das sich in dem mit grauen Brettern verkleideten Haus befand, und empfing Nikolai Grigorjewitsch sofort.
    Toschtschejew sah an seiner neuen Uniform herunter, die er seit seiner kürzlichen Beförderung zum General trug, und zog die Nase hoch, er roch den Karbolgeruch, den sein Besucher aus dem Krankenhaus mitgebracht hatte.
    »Den Auftrag bezüglich des Hauses ›sechs Strich eins‹ habe ich nicht zu Ende führen können, da ich verwundet wurde«, sagte Krymow. »Ich könnte aber jetzt noch einmal hinfahren.«
    Toschtschejew schaute Krymow mit gereiztem, unzufriedenem Blick an und sagte: »Nicht nötig, fertigen Sie einen genauen, an mich adressierten Bericht an.«
    Er stellte keine einzige Frage, sagte kein Wort des Lobes oder Tadels über Krymows Vortrag.
    Wie stets erschienen die Generalsuniform und die Orden in dem ärmlichen Bauernhaus irgendwie fehl am Platz, befremdlich.
    Aber befremdlich war noch etwas anderes:
    Nikolai Grigorjewitsch konnte sich nicht erklären, womit er den General verstimmt hatte.
    Er ging in die allgemeine Abteilung der Politverwaltung, um sich Essensmarken zu besorgen, seinen Lebensmittelschein zu beantragen, die Rückkehr von der Dienstreise sowie seinen Lazarettaufenthalt bescheinigen zu lassen.
    Während er auf die Papiere wartete, saß er auf einem Schemel und betrachtete die Gesichter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
    Niemand interessierte sich hier für ihn. Seine Rückkehr aus Stalingrad, seine Verwundung, alles, was er erlebt und erlitten hatte, bedeutete hier absolut nichts. Die Leute in der allgemeinen Abteilung waren beschäftigt. Schreibmaschinen klapperten, Papiere raschelten, die Augen der Beschäftigten glitten kurz über Krymow hinweg und wandten sich dann wieder den Ordnern und Papieren zu, die auf den Tischen ausgebreitet lagen.
    Wie viele angestrengt gefurchte Stirnen, welche Gedankenanspannung in den Blicken und den zusammengezogenen Brauen, welche Konzentration und welche geübten Handbewegungen beim Umblättern!
    Nur ein plötzliches, krampfhaftes Gähnen, ein rascher, verstohlener Blick auf die Uhr – wie lange noch bis zum Essen? –, eine schläfrige Trübung der Augen beim einen oder anderen ließen die tödliche Langeweile der in der stickigen Büroluft dahinschmachtenden Leute ahnen.
    Ein

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