Leben und Schicksal
sich, wie so häufig, heraus, dass sie alle aus der Vorkriegszeit gemeinsame Bekannte von der Akademie und verschiedenen anderen Lehranstalten hatten.
Sie sprachen über die Befehlshaber an der Front und beklagten es, in der kalten, herbstlichen Steppe stehen zu müssen.
»Na, gibt’s bald eine Hochzeit?«, fragte Lopatin.
»Ja«, sagte Nowikow.
»Ja, ja, wo›Katjuscha‹ 10 ist, gibt’s immer eine Hochzeit«, sagte Magid.
Magid hatte eine hohe Meinung von der Waffengattung, die er befehligte. Nach dem ersten Glas Wodka legte er ein herablassend wohlwollendes Gehabe an den Tag, gepaart mit Skepsis und Spott, das Nowikow außerordentlich unsympathisch war.
Nowikow überlegte in letzter Zeit immer häufiger, was wohl Jewgenia Nikolajewna von dem einen oder anderen Frontoffizier halten würde und wie sich der eine oder andere von ihnen wohl mit ihr unterhalten und sich ihr gegenüber benehmen würde.
Magid würde, dachte Nowikow jetzt, sich unweigerlich an Genia heranmachen, sich aufspielen, angeben und Witze erzählen.
Nowikow spürte eine unangenehme Eifersucht in sich aufsteigen, als wäre Genia da und lauschte andächtig den bissigen Bemerkungen Magids, der sich unaufhörlich produzierte.
Um ihm nicht nachzustehen, schaltete Nowikow sich rasch in das Gespräch ein, sprach davon, wie wichtig es sei, die Männer kennenzulernen, an deren Seite man kämpfte, vorher zu wissen, wie sie sich im Kampf verhalten würden. Er erzählte von Karpow, den man würde antreiben müssen, von Below, den man würde zurückhalten müssen, und von Makarow, der sich unter Defensiv- wie unter Offensivbedingungen gleichermaßen souverän zurechtfinden würde.
Aus dem relativ harmlosen Gespräch entwickelte sich jedoch bald ein Streit, wie er unter Kommandeuren verschiedener Waffengattungen oft ausbricht, ein Streit, der zwar heftig, im Grunde aber nicht ernst war.
»Ja, man muss seine Leute instruieren und korrigieren, aber niemals vergewaltigen«, sagte Morosow.
»Man muss sie fest an die Kandare nehmen«, sagte Neudobnow, »darf die Verantwortung nicht scheuen, muss sie auf sich nehmen.«
Lopatin sagte: »Wer nicht in Stalingrad war, der hat überhaupt keine Ahnung, was Krieg ist.«
»Also, da muss ich aber energisch widersprechen«, schaltete sich Magid ein. »Was ist denn Stalingrad? Heldentum, Standhaftigkeit, Beharrlichkeit – ich bestreite das nicht, das wäre ja auch wirklich fehl am Platz! Aber ich war nicht in Stalingrad und wage zu glauben, dass ich dennoch eine Ahnung habe, was Krieg ist. Ich bin ein Offizier der Offensive. An drei Angriffen habe ich teilgenommen, und ich kann sagen: Ich bin ganz allein durchgebrochen, ganz allein in die feindlichen Linien vorgestoßen. Meine Geschütze haben sich bewährt, haben nicht nur die Infanterie, sondern auch die Panzer und, wenn Sie es genau wissen wollen, sogar die Luftwaffe überrundet.«
»Na, na, Herr Oberstleutnant, das nehme ich Ihnen aber nicht ab – Panzer überrundet«, sagte Nowikow gallig. »Der Panzer ist immer noch der Meister des Manöverkriegs, daran ist nun mal nicht zu rütteln.«
»Es gibt noch eine andere Formel dieser Art«, sagte Lopatin. »Im Falle des Erfolgs immer sich selbst alles zuschreiben, im Falle des Misserfolgs aber hübsch auf den Nachbarn schieben.«
Oberst Morosow sagte: »Ach ja, die lieben Nachbarn. Dabei fällt mir was ein. Da hat mich mal der Kommandeur einer Schützeneinheit, ein General, gebeten, ihm Feuerschutz zu geben: ›Gib mir Feuerschutz, Freund‹, sagte er, ›gegen diese Hügel dort.‹ – »Welches Kaliber?‹, frage ich. Er fängt an zu fluchen und sagt: ›Feuern sollst du, und damit basta!‹ Hat keine Ahnung von Kaliber oder Reichweite der Waffen und kann nicht mal die Karte richtig lesen. Nur immer: ›Los, los, schieß, dass dich der Teufel holt!‹, und zu seinen Soldaten: ›Vorwärts, sonst schlag ich euch die Zähne ein, ich lass euch alle erschießen!‹ – und ist dabei überzeugt, überaus klug zu handeln. Da haben Sie so einen echten Nachbarn, so recht zum Liebhaben und Umarmen. Und so einem ist man dann auch noch untergeben, schließlich ist er General!«
»Also, verzeihen Sie, Sie sprechen in einer unsrem Geiste völlig fremden Sprache«, sagte Neudobnow streng. »Solche Kommandeure gibt es bei den sowjetischen Streitkräften nicht, geschweige denn solche Generäle.«
»So, gibt es nicht«, sagte Morosow. »Wie viele solcher Hornochsen hab ich nicht allein in einem Kriegsjahr getroffen! Drohen
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