Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
Vom Netzwerk:
Bekannter Krymows, Instrukteur aus der siebten Abteilung der Front-Politverwaltung, steckte den Kopf herein Krymow ging mit ihm auf den Gang, um eine Zigarette zu rauchen.
    »Wieder da?«, sagte der Instrukteur.
    »Ja, wie Sie sehen.«
    Und da der Instrukteur keine Anstalten machte, ihn nach seinen Stalingrader Erlebnissen zu fragen, stellte Nikolai Grigorjewitsch selbst eine Frage: »Was gibt’s Neues in der Politverwaltung?«
    Die Hauptneuigkeit war die, dass der Brigadekommissar endlich zum General befördert worden war.
    Lachend berichtete der Instrukteur, Toschtschejew sei vor lauter Ungeduld ganz kribbelig gewesen. Es war ja auch schrecklich: Da hatte er beim besten Frontschneider eine Generalsuniform bestellt, und Moskau verlieh ihm einfach den Rang nicht. Es kursierten auch Gerüchte, dass bei der nächsten Rangüberprüfung einige Regiments- und Oberbataillonskommissare den Rang eines Hauptmanns und Oberleutnants erhalten würden.
    »Können Sie sich das vorstellen?«, fragte der Instrukteur. »Acht Jahre in der Armee, so wie ich, in den Politorganen, und dann Leutnant?«
    Es gab noch andere Neuigkeiten. Der Stellvertreter des Leiters der Informationsabteilung der Front-Politverwaltung war nach Moskau ins GPU abberufen worden, wo er zum Vertreter des Chefs der Politverwaltung der Kalinin-Front ernannt worden war.
    Die Oberinstrukteure der Politverwaltung, die früher bei den Abteilungsleitern in der Kantine gegessen hatten, waren auf Befehl des Mitglieds des Kriegsrats den Instrukteuren gleichgestellt worden und mussten nun im allgemeinen Speisesaal essen. Es gab auch eine neue Anweisung, nach der alle auf eine Dienstreise Abkommandierten ihre Essensmarken abzugeben hatten, ohne dafür Trockenverpflegung zu erhalten. Die Dichter der Frontredaktion, Katz und Talalajewski, waren für den Orden des Roten Sterns vorgeschlagen worden; da jedoch nach einer neuen Verordnung des Genossen Schtscherbakow die Auszeichnungen von Frontpresseleuten über das GPU gehen mussten, hatte man das Material über die Dichter nach Moskau geschickt, und unterdessen war die Frontliste vom Kommandierenden unterzeichnet worden, und alle, die sonst noch auf dieser Liste gestanden hatten, tranken längst auf ihre staatlichen Auszeichnungen.
    »Haben Sie schon gegessen?«, fragte der Instrukteur. »Sollen wir zusammen gehen?«
    Krymow sagte, dass er noch auf seine Papiere warten müsse.
    »Dann geh ich schon mal vor«, sagte der Instrukteur und fügte im Gehen scherzhaft hinzu: »Man muss sich ranhalten, sonst kommt’s noch so weit, dass wir in der Kantine der Militärischen Handelsorganisation essen müssen, zusammen mit den Freiwilligen und den Tippsen.«
    Bald trat auch Krymow mit den fertigen Papieren auf die Straße hinaus und atmete gierig die feuchte Herbstluft ein.
    Warum hatte ihn der Chef nur so unfreundlich empfangen? Worüber war er so unzufrieden? Hatte Krymow etwa den Befehl nicht ordnungsgemäß ausgeführt? Hatte der Chef der Politverwaltung ihm nicht geglaubt, dass er verwundet worden war, ihn für einen Feigling gehalten? Oder war er aufgebracht, weil Krymow zu ihm gekommen war, ohne zuerst seinen nächsten Vorgesetzten aufzusuchen, und weil er außerdem die offizielle Sprechstunde nicht eingehalten hatte? Krymow hatte ihn zweimal mit »Genosse Brigadekommissar« anstatt mit »Genosse Generalmajor« angeredet. War das der Grund? Aber vielleicht machte er sich auch ganz unnötige Gedanken. Alles Mögliche konnte die Ursache sein. Vielleicht hatte man Toschtschejew nicht für den Kutusow-Orden vorgeschlagen, oder man hatte ihm geschrieben, seine Frau sei krank. Wer konnte wissen, warum ein Chef der Front-Politverwaltung an diesem Morgen schlechte Laune hatte!
    In Stalingrad hatte Krymow die hier in Srednjaja Achtuba üblichen gleichgültigen Blicke der Vorgesetzten, der Kollegen Instrukteure und der Kellnerinnen in den Speiseräumen ganz vergessen. In Stalingrad war eben alles anders gewesen!
    Abends ging er in sein Quartier. Der Hund der Wirtin, der aus zwei verschiedenen Teilen zu bestehen schien – einem zerrupften, zottigen roten Hinterteil und einer schwarz-weißen, spitzen Schnauze –, freute sich sehr über seine Rückkehr. Beide Hälften waren erfreut – der rote, zottige, verfilzte Schwanz wedelte, und die schwarz-weiße Schnauze bohrte sich in Krymows Hände und schaute ihn aus kastanienbraunen Augen treuherzig an. In der abendlichen Dämmerung schien es, als werde Krymow von zwei verschiedenen Hunden

Weitere Kostenlose Bücher