Leben und Schicksal
Verdienst der Organisatoren dieser Stalingrader Offensive unbestritten, da sie das Terrain zur Anwendung dieses uralten Prinzips richtig ausgewählt hatten. Richtig gewählt war auch die Zeit zur Durchführung der Operation; die Streitkräfte waren mit Verstand ausgebildet und zusammengezogen; ein Verdienst der Organisatoren war auch, dass sie drei Fronten zusammenwirken ließen: die Südwest-, die Don- und die Stalingrader Front. Große Schwierigkeiten bereitete es, die Konzentrierung von Streitkräften in dem Steppengebiet geheim zu halten, das keine natürlichen Tarnmöglichkeiten bot. Die Streitkräfte von Norden und Süden bereiteten sich darauf vor, an der rechten und linken Flanke der Deutschen vorbei den Gegner bei Kalatsch in den Würgegriff zu nehmen, ihm die Knochen zu brechen und der Paulus-Armee Herz und Lunge einzuklemmen. Es erforderte riesigen Aufwand, die Einzelheiten der Operation auszuarbeiten, die Geschützstärke des Feindes, seine menschlichen Reserven, sein Hinterland und seine Kommunikationslinien auszukundschaften.
Und dennoch basierte dieses Werk, an dem der Oberbefehlshaber Marschall Jossif Stalin, die Generäle Schukow, Wassilewski, Woronow, Jeremenko, Rokossowski und viele begabte Offiziere des Generalstabs beteiligt waren, auf dem von einem behaarten Urmenschen in die Militärpraxis eingeführten Prinzip der Flankenumzingelung des Gegners.
Genialität kann nur Menschen zugesprochen werden, die neue Ideen ins Leben rufen, Ideen, die den Kern des Lebens und nicht seine äußere Hülle verändern, die zur Achse und nicht zu den Drehungen um die Achse gehören. Mit solchen demiurgischen Taten haben die strategischen und taktischen Entwicklungen seit der Zeit Alexanders des Großen nichts zu tun. Das menschliche Bewusstsein, das von der Wucht der Kriegsereignisse erdrückt wird, neigt dazu, die Größe des Geschehens mit der Größe der gedanklichen Leistungen der Heerführer gleichzusetzen.
Die Geschichte der Schlachten zeigt, dass die Heerführer keine neuen Prinzipien beim Durchbruch der Verteidigungslinien, bei der Verfolgung, der Einkesselung und beim Zermürbungskrieg anwenden – sie benutzen die alten Prinzipien, die schon dem Neandertaler bekannt waren, aber auch jedem Wolfsrudel, das eine Herde einkreist, ebenso wie der Herde, die sich gegen die Wölfe verteidigt.
Ein energischer, umsichtiger Werksdirektor sorgt dafür, dass Rohstoffe und Energieträger zur Verfügung stehen, er koordiniert die einzelnen Arbeitsprozesse und kümmert sich um Dutzende andere kleinere und größere Dinge, ohne die ein Werk nicht funktionieren würde.
Aber wenn Historiker erklären, dass der Direktor mit seiner Tätigkeit die Prinzipien der Metallurgie, Elektrotechnik oder der Röntgenanalyse von Metallen bestimmt habe, dann beginnt derjenige, der die Geschichte des Werks studiert, zu protestieren: Die Röntgenstrahlen sind ja nicht von unserem Direktor entdeckt worden, sondern von Röntgen, und Hochöfen gab es auch vor unserem Direktor.
Die wirklich großen wissenschaftlichen Entdeckungen machen den Menschen weiser, als die Natur es ist. Die Natur lernt sich in diesen Entdeckungen und durch diese Entdeckungen kennen. Zu solchen menschlichen Großtaten gehört das, was Galilei, Newton und Einstein in der Erkenntnis von Raum, Zeit, Materie und Kraft geleistet haben. In diesen Entdeckungen vertiefte und erhöhte der Mensch das, was von Natur aus da war, und trug so zur Selbsterkenntnis der Natur bei, ja, zur Bereicherung der Natur.
Entdeckungen minderen Grades, zweitrangige Entdeckungen sind die, in denen der Mensch die existierenden, sichtbaren, fühlbaren, von der Natur formulierten Prinzipien reproduziert.
Der Vogelflug, das Schwimmen der Fische, die Bewegung der Rolldistel und eines runden Steins, die Kraft des Windes, die Bäume schwanken lässt und Äste schüttelt, die reaktiven Bewegungen der Seegurken – das alles ist Ausdruck des einen oder anderen fühlbaren, sichtbaren Prinzips. Der Mensch arbeitet aus solchen Erscheinungen das Prinzip heraus, überträgt es in seine Sphäre und entwickelt es entsprechend seinen eigenen Möglichkeiten und Bedürfnissen.
Die Bedeutung von Flugzeugen, Turbinen, Düsenmotoren, Raketen für das Leben ist ungeheuer – aber dass sie geschaffen wurden, hat die Menschheit nicht ihrem Genie, sondern ihrer Begabung zu verdanken.
Zu solchen zweitrangigen Entdeckungen gehören auch jene, die auf Prinzipien beruhen, die von Menschen und nicht von der Natur
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