Leben und Schicksal
Rjaboschtan noch, nachdem er in eine Strafkompanie versetzt worden war? Rotarmist Gordejew erklärte, dass er nicht an den Sieg der sowjetischen Waffen glaube und dass der Sieg der Hitlerarmee unabwendbar sei. Wie lange blieb Gordejew danach in der Strafkompanie noch am Leben? Rotarmist Markewitsch erklärte: »Alle Kommunisten sind Diebe. Es kommt die Zeit, dann werden wir sie auf Bajonette spießen, und das Volk wird befreit sein.« Das Feldgericht verurteilte Markewitsch zum Tod durch Erschießen. Er selbst war doch ein Denunziant, er hatte Grekow bei der politischen Leitung der Front angezeigt. Wäre Grekow nicht von einer deutschen Bombe umgebracht worden, hätte man ihn vor den angetretenen Kommandeuren erschossen. Was fühlten, was dachten all die Menschen, die in Strafkompanien gesteckt, von Schnellgerichten verurteilt, von den Sonderabteilungen verhört wurden?
Und vor dem Krieg – wie oft war er selbst in solche Geschichten verwickelt, wie oft musste er sich ruhig die Worte von Freunden anhören: »Ich habe dem Parteikomitee von meinem Gespräch mit Pjotr erzählt.« – »Er hat ganz ehrlich den Inhalt des Briefes von Iwan wiedergegeben.« – »Man hat ihn vorgeladen, und als ehrlicher Kommunist musste er selbstverständlich über alles berichten: über die Stimmung der Leute, über Wolodjas Briefe.«
All das war geschehen.
Genug davon. Alle Erklärungen, die er mündlich und schriftlich abgegeben hatte – sie halfen niemandem aus dem Gefängnis heraus. Ihr Sinn war immer der gleiche: nicht selbst in den Sumpf geraten, sich fernhalten.
Schlecht, sehr schlecht verteidigte Krymow seine Freunde, obwohl es ihn schmerzte. Er hatte Angst, versuchte, sich diesen Dingen zu entziehen. Warum fieberte er denn so, warum fror er? Was wollte er denn? Dass der Wachposten in der Lubjanka von seiner Einsamkeit erfuhr, dass die Untersuchungsrichter seufzten, weil ihn seine geliebte Frau verlassen hatte, dass man bei der Auswertung der Verhöre berücksichtigen sollte, dass er nachts ihren Namen rief, sich in die Hand biss, dass ihn seine Mutter Nikolenka genannt hatte?
Eines Nachts wachte Krymow auf, öffnete die Augen und sah Dreling am Bett von Katzenellenbogen. Das grelle elektrische Licht beleuchtete den Rücken des alten Lagerhäftlings. Der wach gewordene Bogolejew saß auf seinem Bett, die Beine unter der Decke.
Dreling stürzte zur Zellentür, schlug mit seiner knöchernen Faust gegen sie und schrie mit seiner knöchernen Stimme: »Wache! Einen Arzt, schnell, ein Gefangener hat einen Herzanfall!«
»Ruhe, aufhören!«, bellte der Wachposten am Guckloch.
»Was heißt Ruhe, ein Mensch stirbt!«, brüllte Krymow, sprang von seinem Bett, rannte zur Tür und hämmerte zusammen mit Dreling dagegen. Er bemerkte, dass Bogolejew sich wieder hingelegt und zugedeckt hatte – er fürchtete offenbar, in diesen Vorfall verwickelt zu werden.
Bald wurde die Tür aufgerissen, ein paar Männer kamen herein. Katzenellenbogen war bewusstlos. Es dauerte lange, bis sie seinen riesigen Körper auf die Trage gewuchtet hatten.
Am Morgen fragte Dreling plötzlich Krymow: »Sagen Sie mal, haben Sie als kommunistischer Kommissar an der Front oft mit Unmutsäußerungen zu tun gehabt?«
Krymow sagte: »Unmut? Worüber?«
»Ich meine Unmut über die Kolchosenpolitik der Bolschewiki, die allgemeine Kriegsführung – kurz – politische Unmutsäußerungen.«
»Niemals. Nicht einmal einen Schatten solcher Stimmungen konnte ich beobachten«, sagte Krymow.
»Soso, klar, das habe ich mir gedacht«, sagte Dreling und nickte befriedigt.
7
Die Idee, die Deutschen bei Stalingrad in einen Kessel einzuschließen, gilt als genial.
In der geheimen Konzentration der Truppen an den Flanken der Paulus-Armee wiederholte sich das Prinzip, das zu einer Zeit geboren wurde, als barfüßige, flachstirnige Männer mit großen Unterkiefern sich durch die Büsche anschlichen und eine Höhle umzingelten, die von Neuankömmlingen aus dem Wald besetzt worden war. Worüber soll man sich wundern: über den Unterschied zwischen Keule und Ferngeschütz oder über das seit Jahrtausenden unveränderte Prinzip der alten und der neuen Waffen?
Aber die Einsicht, dass die sich ständig weiter drehende Spirale der menschlichen Entwicklung eine unveränderliche, konstante Achse besitzt, sollte weder Verzweiflung hervorrufen noch Verwunderung.
Obwohl das Prinzip der Einkesselung, das als Basis für die Stalingrader Operation diente, nicht neu war, ist das
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