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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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es mir schwerfällt, den Ofen zu heizen?«
    Er nickte einige Male, schwieg lange und betrachtete seine Hände, die auf dem Tisch lagen.
    »Ich wurde vor einigen Tagen ›dorthin‹ vorgeladen. Man befragte mich nach unseren Begegnungen und Gesprächen.«
    Sie fragte: »Warum haben Sie dann geschwiegen? Warum sprechen Sie vom Ofen?«
    Karimow begegnete ihrem Blick und sagte: »Selbstverständlich hätte ich abstreiten können, dass wir uns über Politik und Krieg unterhalten haben. Aber es wäre doch lächerlich gewesen, zu erklären, vier erwachsene Menschen hätten ausschließlich über Filme gesprochen. Natürlich sagte ich, dass wir uns über jedes Thema wie sowjetische Patrioten geäußert hätten. Wir alle seien der Meinung gewesen, dass das Volk unter der Führung der Partei und des Genossen Stalin siegen wird. Und ich muss gestehen, dass die Fragen sich gar nicht so feindselig anhörten. Aber jetzt sind einige Tage vergangen, und ich mache mir Sorgen, ich kann überhaupt nicht mehr schlafen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass Viktor Pawlowitsch etwas zugestoßen sein könnte. Und dann noch diese seltsame Geschichte mit Madjarow. Er war für zehn Tage nach Kuibyschew gefahren, zur Pädagogischen Hochschule. Hier warteten die Studenten auf ihn, er aber blieb verschollen; der Dekan schickte ein Telegramm nach Kuibyschew – keine Antwort –, man liegt nachts wach, und da kommen einem alle möglichen Gedanken.«
    Alexandra Wladimirowna schwieg.
    Er fuhr leise fort: »Es reicht schon, wenn man sich bei einem Glas Tee unterhält. Prompt folgen Verdächtigungen und Vorladungen ›dorthin‹.«
    Sie schwieg, er blickte sie fragend an, um sie zum Sprechen zu bewegen – er hatte ihr doch schon alles erzählt. Aber Alexandra Wladimirowna schwieg weiter, und Karimow merkte, dass sie ihm mit ihrem Schweigen zu verstehen gab, dass er noch nicht alles erzählt habe.
    »So ist es«, sagte er.
    Alexandra Wladimirowna schwieg weiter.
    »Ach ja, ich habe noch etwas vergessen«, sagte er. »Dieser Genosse fragte mich: ›Haben Sie auch über Pressefreiheit geredet?‹ Tatsächlich, das Gespräch drehte sich einmal um dieses Thema. Und dann fragte man mich noch, ob ich die jüngere Schwester von Ljudmila Nikolajewna und ihren Exmann – Krymow heißt er wohl? – kenne. Ich habe sie nie gesehen, und Viktor Pawlowitsch hat nie mit mir über sie gesprochen. Das habe ich auch gesagt. Und dann war da noch eine Frage: ob sich Viktor Pawlowitsch mit mir über die Lage der Juden unterhalten habe. ›Warum denn ausgerechnet mit mir‹, wollte ich wissen. Ich bekam zur Antwort: ›Wissen Sie, Sie sind Tatar, und er ist Jude.‹«
    Als Karimow sich schon verabschiedet hatte, in Mantel und Mütze in der Tür stand und mit den Fingern gegen den Briefkasten trommelte, aus dem Ljudmila Nikolajewna einst den Brief mit der Nachricht über die tödliche Verwundung ihres Sohnes geholt hatte, sagte Alexandra Wladimirowna: »Merkwürdig, was hat denn Genia damit zu tun?« Aber natürlich konnten weder sie noch Karimow die Frage beantworten, weshalb sich der NKWD-Mann aus Kasan für Genia, die in Kuibyschew wohnte, und für ihren Mann, der an der Front war, interessierte.
    Die Menschen vertrauten Alexandra Wladimirowna, sie hörte viele solcher Geschichten und Beichten und hatte sich an das Gefühl gewöhnt, dass der Erzähler immer etwas verheimlichte. Sie hatte nicht den Wunsch, Strum zu warnen, da es ihn nur unnötig aufregen würde. Es hatte auch keinen Sinn, zu rätseln, wer von den Gesprächsteilnehmern seine Zunge nicht gehütet oder Anzeige erstattet hatte: Dies zu erraten war schwer, denn am Ende war immer der schuldig, den man am wenigsten verdächtigt hatte. Oft wurde ein Verfahren im Ministerium für Staatssicherheit auf ganz überraschende Weise ausgelöst: durch eine Andeutung in einem Brief, einen Scherz, durch ein unvorsichtig in einer Gemeinschaftsküche ausgesprochenes Wort, das eine Nachbarin aufgeschnappt hatte. Aber wieso hatte der Untersuchungsrichter Karimow über Genia und Nikolai Grigorjewitsch ausgefragt?
    Wieder konnte sie lange nicht einschlafen. Sie hatte Hunger. Aus der Küche drang Essensgeruch – die Hauswirte brieten Kartoffelpfannkuchen in Speiseöl. Sie hörte das Klirren der Blechteller, die ruhige Stimme von Semjon Iwanowitsch. Großer Gott, wie hungrig sie war! Heute hatte es in der Kantine zum Mittagessen nur Plempe gegeben. Alexandra Wladimirowna hatte ihre Portion nicht aufgegessen, und jetzt tat es ihr

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