Leben und Schicksal
habe.
Viele Jahre hatte Strum Schischakow nicht gemocht. Doch einmal besuchte er Alexej Alexejewitsch zum Essen. Der Hausherr erwies sich als gastfreundlicher Mann, war ein Feinschmecker und witziger Unterhalter, der sich auf guten Cognac verstand und Graphiken sammelte. Vor allem aber war er ein Anhänger von Strums Theorie.
»Ich habe gesiegt«, dachte Strum. Aber er wusste natürlich auch, dass es nicht der allerhöchste Sieg war, dass die Menschen, mit denen er zu tun hatte, ihr Verhalten ihm gegenüber nicht geändert hatten, weil er sie mit der Kraft seiner Begabung, seines Verstandes oder sonst einer Kraft bezaubert hatte.
Und doch freute er sich. Er hatte gesiegt!
Fast jeden Abend wurden im Radio Meldungen gesendet, in denen es hieß, dass die Offensive der sowjetischen Truppen immer weiter ausgedehnt werde. Für Viktor Pawlowitsch war es jetzt ein Leichtes, die Gesetzmäßigkeit seines Lebens mit der des Kriegsverlaufs zu verbinden, mit dem Sieg des Volkes, der Armee und des Staates.
Aber ihm war klar, dass alles nicht ganz so einfach war, und machte sich über seinen eigenen Wunsch lustig, hinter allem das Einfachste zu entdecken: »Stalin hier, Stalin da. Es lebe Stalin!«
In seiner bisherigen Vorstellung sprachen die Verwaltungs- und Parteifunktionäre selbst im Familienkreis über die Gesinnungsreinheit der Kader, unterschrieben mit Rotstift Unterlagen und lasen ihren Frauen Stalins »Geschichte der KPdSU, kurzer Lehrgang« vor, und wenn sie schliefen, träumten sie von provisorischen Regeln und obligatorischen Vorschriften.
Plötzlich zeigten sich diese Leute Strum von einer anderen, menschlichen Seite.
Der Sekretär des Parteikomitees Ramskow war leidenschaftlicher Angler. Vor dem Krieg hatte er mit Frau und Söhnen eine Bootswanderung über die Flüsse im Ural gemacht.
»Ach, Viktor Pawlowitsch«, sagte Ramskow, »gibt es denn etwas Schöneres im Leben? Man geht im Morgengrauen hinaus, der Tau glitzert, der Sand am Ufer ist noch kalt, man wirft die Angel in das schwarze Wasser, das geheimnisvoll dunkel vor einem fließt … Lassen Sie mal den Krieg zu Ende gehen, dann führe ich auch Sie in die Anglerbruderschaft ein …«
Kowtschenko unterhielt sich einmal mit Strum über Kinderkrankheiten. Strum wunderte sich, dass er so viel über die Behandlung von Angina und Rachitis wusste. Dann stellte sich heraus, dass Kassjan Terentjewitsch nicht nur zwei eigene Kinder, sondern noch einen adoptierten spanischen Jungen hatte. Der kleine Spanier war oft krank, und Kowtschenko behandelte ihn selbst.
Sogar der trockene Swetschin erzählte Strum von seiner Kakteensammlung, die er im kalten Winter 1941 habe retten können.
»Das sind doch, weiß Gott, keine schlechten Menschen«, dachte Strum, »in jedem Menschen steckt etwas Menschliches.«
Im Grunde seines Herzens wusste Strum natürlich, dass diese Veränderungen eigentlich nichts änderten. Er war weder dumm noch zynisch, er konnte denken.
In diesen Tagen fiel ihm eine Geschichte ein, die ihm Krymow einmal erzählt hatte. Es ging um dessen alten Genossen Bagrjanow, einen höheren Untersuchungsrichter bei der Militärstaatsanwaltschaft. Er war 1937 verhaftet worden, doch 1939, in der kurzen Zeit des Berija-Liberalismus, wurde er aus dem Lager freigelassen und kehrte nach Moskau zurück.
Krymow erzählte, wie Bagrjanow nachts vom Bahnhof direkt zu ihm gekommen sei, in zerrissenem Hemd und zerschlissener Hose, mit einer Lagerbescheinigung in der Hand. In dieser ersten Nacht hielt er Reden über die Freiheitsliebe, zeigte Mitleid mit allen Lagerinsassen und wollte Buchhalter oder Gärtner werden. Aber dann änderten sich im gleichen Maße, wie er in sein früheres Leben zurückfand, auch seine Reden.
Krymow erzählte lachend, wie sich Bagrjanows Ideologie Zug um Zug änderte. Uniformhose und -rock wurden ihm zurückgegeben, und in dieser Phase hatte er noch liberale Ansichten. Aber er prangerte nicht mehr wie Danton das Böse an.
Aber da bekam er statt der Lagerbescheinigung einen Moskauer Ausweis. Und sofort verspürte er den Wunsch, hegelianische Positionen einzunehmen: »Alles Wirkliche ist vernünftig.« Dann gab man ihm seine Wohnung zurück, und er begann, wieder anders zu reden. In den Lagern säßen doch viele, die zu Recht verurteilt seien, Feinde der Sowjetmacht. Dann bekam er seine Orden zurück. Dann wurde er wieder als langjähriges Mitglied in die Partei aufgenommen.
Zu diesem Zeitpunkt fingen Krymows Schwierigkeiten in der Partei
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