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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Nowikow werde nach kurzer Zeit aus Moskau zurückkehren und wieder das Kommando über das Korps übernehmen.
    Andere sagten, der Fall hänge mit der falschen Entscheidung über die zehnstündige Ruhepause zusammen, die Nowikow mitten in der Offensive gefällt habe, und mit der Verzögerung, die er verursacht habe, als das Korps in die Bresche vorstoßen sollte. Wieder andere meinten, er habe sich nicht mit dem Korpskommissar und dem Stabschef verstanden, die große Verdienste zu verzeichnen hätten.
    Der Sekretär des Kriegsrats der Front, ein informierter Mann, sagte, irgendwer werfe Nowikow kompromittierende persönliche Beziehungen vor. Eine Zeitlang glaubte der Sekretär des Kriegsrats, Nowikow habe Probleme wegen der Reibereien, die es zwischen ihm und dem Korpskommissar gegeben hatte. Aber offensichtlich war dies nicht der Fall. Der Sekretär des Kriegsrats las mit eigenen Augen einen Brief von Getmanow, der an die allerhöchsten Instanzen gerichtet war. In diesem Brief protestierte Getmanow gegen die Entbindung Nowikows vom Kommando über das Korps und schrieb, Nowikow sei ein bemerkenswerter Offizier, der über herausragende militärische Talente verfüge, ein in politischer und moralischer Hinsicht untadeliger Mann.
    Besonders erstaunlich war jedoch, dass Nowikow in der Nacht, als er den Befehl über die Vorladung nach Moskau erhalten hatte, zum ersten Mal ruhig bis zum Morgen schlief, nach vielen qualvollen, schlaflosen Nächten.
    53
    Strum hatte das Gefühl, er werde von einem donnernden Eisenbahnzug fortgetragen, und rückblickend empfand er die Stille seiner Wohnung in den Wochen der Ächtung sonderbar. Die Zeit war jetzt knapp, sie war gefüllt mit Ereignissen, Menschen, Telefonanrufen. Der Tag, an dem Schischakow Strum zu Hause besucht hatte, sich aufmerksam und liebenswürdig nach seiner Gesundheit erkundigt und lustige, freundschaftliche Erklärungen abgegeben hatte, die alles Geschehene vergessen machen sollten, schien zehn Jahre zurückzuliegen.
    Strum hatte geglaubt, dass die Leute, die ihn hatten vernichten wollen, bei seinem Erscheinen verschämt wegschauen würden, aber an dem Tag, als er wieder ins Institut gekommen war, hatten sie ihn freudig begrüßt und ihm voller Ergebenheit und Freundschaft in die Augen gesehen. Besonders frappierend war, dass es diese Leute wirklich ehrlich meinten, dass sie Strum wirklich nur Gutes wünschten.
    Er hörte jetzt wieder viele lobende Worte über seine Arbeit. Malenkow hatte ihn zu sich rufen lassen, ihn aufmerksam mit seinen klugen schwarzen Augen angesehen und vierzig Minuten lang mit ihm gesprochen. Strum war verblüfft, dass Malenkow über seine Arbeit unterrichtet war und ziemlich flüssig die Fachausdrücke verwendete. Malenkows Abschiedsworte versetzten Strum in Erstaunen: »Wir wären betrübt, wenn wir in irgendeiner Art und Weise Ihre Arbeit auf dem Gebiet der physikalischen Theorie behinderten. Wir wissen sehr wohl, dass es ohne Theorie keine Praxis gibt.«
    Er hatte keineswegs erwartet, derlei Worte zu hören.
    Es war seltsam, am folgenden Tag, nach der Begegnung mit Malenkow, den besorgten, fragenden Blick von Alexej Alexejewitsch zu sehen und sich an das Gefühl der Kränkung und Erniedrigung zu erinnern, das er empfunden hatte, als dieser bei sich zu Hause eine Besprechung abgehalten hatte, ohne ihn eingeladen zu haben.
    Markow war wieder nett und freundlich, Sawostjanow lächelte und machte seine Witzchen. Gurewitsch kam ins Labor, umarmte Strum und sagte: »Sie können sich nicht vorstellen, wie froh ich bin. Sie sind ein Glückskind.«
    Und der Zug trug ihn immer weiter.
    Man fragte Strum, ob er es nicht für notwendig halte, auf der Basis seines Labors eine selbstständige Forschungsanstalt einzurichten. Er flog mit einem Sonderflugzeug in den Ural, begleitet von einem stellvertretenden Minister. Er bekam einen Dienstwagen, Ljudmila Nikolajewna fuhr damit zum Einkaufen in das Sondergeschäft und nahm die Frauen mit, die sich noch vor ein paar Wochen gescheut hatten, sie auf der Straße zu grüßen.
    Alles, was früher kompliziert und verworren erschienen war, löste sich leicht, wie von selbst.
    Der junge Landesman war gerührt; Kowtschenko rief ihn zu Hause an, Dubenkow regelte innerhalb einer Stunde seinen Eintritt in Strums Labor.
    Anna Naumowna Weißpapier, die aus Kasan zurückgekehrt war, erzählte Strum, dass ihre Einladung und ihr Passierschein binnen zwei Tagen ausgestellt worden waren und dass Kowtschenko in Moskau einen Wagen

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