Leben und Schicksal
der Turbinenhalle war, schmiegte er eine Wange an das kalte, unbewegliche Schwungrad und schloss müde die Augen.
Vera packte die Sachen, trocknete die Windeln über dem Ofen, bereitete die Fläschchen mit der abgekochten Milch für Mitja vor, stopfte Brot in einen Beutel. An diesem Tag nahm sie endgültig Abschied von Viktorow und von ihrer Mutter. Sie würden allein bleiben, niemand würde hier mehr an sie denken, nach ihnen fragen.
Der Gedanke, dass sie jetzt die Älteste in der Familie war, tröstete sie. Sie war die Ruhigste, hatte sich mit dem schweren Leben abgefunden.
Alexandra Wladimirowna schaute ihrer Enkelin in die vor Schlaflosigkeit entzündeten Augen und sagte: »So ist das Leben, Vera. Am schwersten trennt man sich von einem Haus, in dem man viel Unglück durchlebt hat.«
Natalja hatte es übernommen, den Spiridonows Piroggen für die Reise zu backen. Schon am Morgen war sie, mit Holz und Lebensmitteln beladen, in die Werkssiedlung zu einer Bekannten gegangen, die einen russischen Ofen hatte. Dort rollte sie den Teig aus und bereitete die Füllung zu. Ihr Gesicht war von der Küchenarbeit ganz rot, jung und schön geworden. Sie betrachtete sich lachend im Taschenspiegel, puderte sich die Nase und die Wangen mit Mehl, aber als die Bekannte das Zimmer verlassen hatte, weinte Natalja, und Tränen tropften in den Teig.
Doch die Bekannte bemerkte ihre Tränen und fragte: »Warum weinst du, Natalja?«
Sie antwortete: »Ich habe mich so an sie gewöhnt. Die Alte ist ein guter Mensch, und Vera tut mir leid, das Waisenkind noch mehr.«
Die Bekannte hörte aufmerksam zu. »Du lügst, Natascha, du weinst doch nicht wegen der Alten.«
»Doch, um die Alte«, sagte Natalja.
Der neue Direktor hatte versprochen, Andrejew fortzulassen, ihn aber gebeten, noch fünf Tage im »Stalgres« zu bleiben. Natalja hatte erklärt, sie werde diese fünf Tage mit dem Schwiegervater verbringen und dann zu ihrem Sohn nach Leninsk fahren.
»Und dort wird man sehen, wohin wir gehen«, hatte sie gesagt.
»Was wirst du dort sehen?«, hatte der Schwiegervater gefragt, doch sie hatte nicht geantwortet.
Wahrscheinlich weinte sie, weil es nichts zu sehen gab. Pawel Andrejewitsch mochte es nicht, wenn sich die Schwiegertochter um ihn kümmerte, und sie dachte, er erinnere sich an ihre Streitigkeiten mit Warwara Alexandrowna, verzeihe ihr nicht, verurteile sie.
Am Mittag kam Stepan Fjodorowitsch nach Hause und erzählte, wie sich die Arbeiter aus der Schlosserei von ihm verabschiedet hatten.
»Auch hier sind sie den ganzen Morgen hergepilgert«, sagte Alexandra Wladimirowna. »Fünf oder sechs Mann fragten nach Ihnen.«
»Ist alles fertig? Der Lastwagen kommt Punkt fünf.« Er lächelte. »Wir müssen Batrow dankbar sein, er hat uns nun doch einen Wagen gegeben.«
Alle Angelegenheiten waren erledigt, alle Sachen gepackt, aber das Gefühl der trunkenen Aufregung ließ Spiridonow nicht los. Er fing an, die Koffer umzustellen, die Bündel neu zu schnüren, er schien die Abreise kaum erwarten zu können. Bald kehrte Andrejew aus dem Büro zurück, und Stepan Fjodorowitsch fragte ihn: »Na, ist aus Moskau endlich das Telegramm wegen des Kabels gekommen?«
»Nein, kein einziges Telegramm.«
»Diese Halunken hintertreiben alles. Man könnte doch zu den Maifeiertagen die ersten Aggregate in Betrieb nehmen.«
Andrejew sagte zu Alexandra Wladimirowna: »Sie sind so schwach, wie können Sie sich diese Reise zumuten?«
»Keine Sorge, ich bin zäh. Was sollte ich sonst auch tun, nach Hause in die Gogolstraße zurückkehren? Und hier waren schon die Maler, haben sich umgesehen; sie werden die Wohnung für den neuen Direktor renovieren.«
»Der hätte auch noch einen Tag warten können, der Flegel«, sagte Vera.
»Wieso denn Flegel?«, entgegnete Alexandra Wladimirowna. »Das Leben geht eben weiter.«
Stepan Fjodorowitsch fragte: »Ist das Mittagessen fertig? Worauf warten wir noch?«
»Auf Natalja mit den Piroggen.«
»Wegen dieser Piroggen verpassen wir noch den Zug«, sagte Stepan Fjodorowitsch.
Essen wollte er nicht, aber für das Abschiedsmahl hatte man Wodka aufgespart, und er hatte großes Verlangen danach.
Stepan Fjodorowitsch hätte sich gern noch einmal für einige Zeit in seinem alten Büro aufgehalten, aber es ging nicht – bei Batrow fand eine Besprechung der Werkhallenleiter statt. Das bittere Gefühl verlangte nach einem kräftigen Schluck; er schüttelte dauernd den Kopf: Wir kommen zu spät, wir kommen zu
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