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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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ihr Leben.
    »Aber natürlich«, sagte Alexandra Wladimirowna.
    Stepan Fjodorowitsch erklärte mit feierlicher, trunkener und glücklicher Entschlossenheit: »Natascha, ich sage es vor allen. Es gibt hier nichts für Sie zu tun. Fahren Sie nach Leninsk, holen Sie Ihren Sohn und kommen Sie zu uns in den Ural. Wir werden zusammen sein, zusammen geht alles leichter.«
    Er wollte ihr in die Augen blicken, doch sie hielt den Kopf gesenkt. Er sah nur ihre Stirn, ihre schönen, dunklen Brauen.
    »Und Sie, Pawel Andrejewitsch, sollten auch kommen. Zusammen geht alles leichter.«
    »Wohin sollte ich schon fahren«, sagte Andrejew. »Ich werde kein neues Leben mehr anfangen.«
    Stepan Fjodorowitsch blickte sich schnell nach Vera um. Sie stand mit Mitja im Arm am Tisch und weinte.
    Zum ersten Mal an diesem Tag sah er die Wände, die er verlassen musste, und der Schmerz, der in ihm brannte, der Gedanke an die Entlassung, der Verlust seines Ansehens und seiner geliebten Arbeit, die Kränkung und Scham, die ihm fast den Verstand raubten und es ihm verwehrten, sich über den Sieg zu freuen – alles war plötzlich weg und hatte keine Bedeutung mehr.
    Die alte Frau aber, die neben ihm saß, die Mutter seiner Frau, die er geliebt und für immer verloren hatte, küsste seine Stirn und sagte: »Mach dir nichts draus, mein Lieber, so ist das Leben nun einmal.«
    63
    Die ganze Nacht hindurch war es in dem Bauernhaus drückend heiß, weil der Ofen noch vom Abend her geheizt war.
    Die Frau, die ein Zimmer gemietet hatte, und ihr Mann, ein verwundeter Offizier, der am Tag zuvor aus dem Lazarett auf Urlaub gekommen war, fanden bis in die Morgenstunden hinein keinen Schlaf. Sie flüsterten, um die alte Wirtin und das auf der Truhe schlafende kleine Mädchen nicht zu wecken.
    Die Alte bemühte sich, einzuschlafen, vergeblich. Sie ärgerte sich, dass die Untermieterin und ihr Mann flüsternd miteinander sprachen – sie fühlte sich gestört, unwillkürlich lauschte sie und versuchte, einzelne Wörter, die sie verstand, in einen Zusammenhang zu bringen.
    Hätten sie lauter gesprochen, dann hätte die Alte wohl nur kurz zugehört und wäre eingeschlafen. Sie hätte am liebsten gegen die Wand geklopft und gerufen: »Was flüstert ihr da, glaubt ihr, ich bin drauf aus, euch zuzuhören?«
    Einige Male schnappte die Alte sogar ganze Sätze auf, dann wurde das Geflüster wieder undeutlich.
    Er sagte: »Ich komme aus dem Lazarett, nicht einmal Süßigkeiten konnte ich euch mitbringen. An der Front ist das viel besser.«
    »Und ich hatte nur Kartoffeln und Pflanzenöl, um dich zu bewirten«, antwortete die Frau.
    Dann flüsterten sie wieder, man konnte nichts verstehen; die Frau schien jetzt zu weinen.
    Die Alte hörte, wie sie sagte: »Meine Liebe hat dich beschützt.«
    »Das ist vielleicht ein Halunke!«, dachte die Alte über den Offizier.
    Sie schlummerte für ein paar Minuten ein, schnarchte, und die Stimmen wurden lauter.
    Sie erwachte, lauschte und hörte:
    »Piwowarow hat mir ins Lazarett geschrieben. Ich bin erst vor kurzem Oberstleutnant geworden, und jetzt wollen sie mich schon zum Oberst befördern. Der Armeeoberbefehlshaber hat die Beförderung persönlich angeregt. Er hat mir ja damals auch die Division unterstellt. Und für den Lenin-Orden bin ich auch vorgeschlagen worden. Und alles für den Kampf, bei dem ich ohne Verbindung zu den Bataillonen verschüttet in einer Werkhalle saß, Däumchen drehte und Lieder sang. Ich komme mir wie ein Betrüger vor. Es ist mir so peinlich, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
    Dann merkten sie offensichtlich, dass die Alte nicht mehr schnarchte, und flüsterten wieder.
    Die Alte war allein, ihr Mann war schon vor dem Krieg gestorben, die einzige Tochter wohnte nicht bei ihr, sie arbeitete in Swerdlowsk. Die Alte hatte während des Krieges niemanden bei sich gehabt und verstand selbst nicht, weshalb die gestrige Ankunft des Offiziers sie so verstimmt hatte.
    Die Alte mochte ihre Untermieterin nicht, hielt sie für eine hohlköpfige, unselbstständige Frau, die spät aufstand, ihre Tochter abgerissen herumlaufen und essen ließ, was ihr gerade in die Finger kam. Meistens schwieg die Untermieterin, saß am Tisch oder schaute aus dem Fenster. Aber manchmal bekam sie einen Rappel und begann zu arbeiten. Dann stellte sich heraus, dass sie alles konnte; sie nähte, scheuerte den Fußboden, kochte gute Suppe, und sogar die Kuh konnte sie melken, obwohl sie aus der Stadt kam. Offenbar stimmte etwas nicht

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