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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Trifonowitsch – um sich zu trösten – nun damit, die guten Seiten dieser Versetzung zu entdecken. Schließlich würde ja die Panzerwaffe den Ausgang des Krieges entscheiden, sie sollte an den Schlüsselpunkten eingesetzt werden. Zu einem Panzerverband aber kommt nicht der Erstbeste. Eher macht man dich zum Mitglied eines Kriegsrats bei irgendeiner abgekämpften Armee, die einen strategisch weniger wichtigen Abschnitt verteidigt, als dass man dich zu einem Panzerkorps schickt. Die Partei hatte ihm also ihr besonderes Vertrauen erwiesen. Trotzdem kränkte ihn die Sache. Es hätte ihm große Freude bereitet, in der neuen Uniform vor den Spiegel zu treten und zu sagen: »Mitglied des Kriegsrats der Armee, Brigadekommissar Getmanow.«
    Am meisten ärgerte er sich über den Kommandeur des Panzerkorps, Oberst Nowikow. Zwar war er ihm bisher noch nicht persönlich begegnet, aber alles, was er über ihn gehört hatte, erregte sein Missfallen.
    Getmanows Freunde, die mit ihm zusammen am Tisch saßen, hatten volles Verständnis für die Stimmung, in der er sich befand, und jedes Wort, das zu seiner Ernennung geäußert wurde, war dazu angetan, ihn aufzuheitern.
    Sagaidak sagte, das Panzerkorps werde wahrscheinlich nach Stalingrad abkommandiert werden. Genosse Stalin kenne den Oberbefehlshaber der dortigen Front, General Jeremenko, noch vom Bürgerkrieg her, von der 1. Reiterarmee, er telefoniere oft über seine besondere Leitung mit ihm und empfange ihn jedes Mal, wenn er in Moskau sei. Kürzlich sei der General Gast in Stalins Datscha gewesen. Genosse Stalin habe sich zwei Stunden mit ihm unterhalten. Es sei gut, unter dem Befehl eines Mannes zu kämpfen, der in so hohem Maße das Vertrauen Stalins besitze.
    Dann erinnerte man sich, dass NikitaSergejewitsch 12 Getmanow aus seiner Zeit in der Ukraine in guter Erinnerung habe – was für ein Glücksfall sei es für Dementi Trifonowitsch, gerade an die Front zu kommen, deren Kriegsrat Nikita Sergejewitsch angehörte.
    »Es ist bestimmt kein Zufall, dass Genosse Stalin Nikita Sergejewitsch nach Stalingrad geschickt hat«, bemerkte Nikolai Terentjewitsch. »Das ist die Front, an der die Entscheidung fallen wird – wen sonst hätte er hinschicken sollen?«
    »Nun, ist es da vielleicht ein Zufall, dass Genosse Stalin meinen Dementi Trifonowitsch zu einem Panzerkorps abkommandiert?«, rief Galina Terentjewna herausfordernd.
    »Schön und gut«, meinte Getmanow offenherzig, »aber dass ich da in einem Panzerkorps lande, das ist ungefähr so, als würde der Erste Sekretär eines Gebietskomitees zum Sekretär irgendeines Kreiskomitees ›aufrücken‹. Die Freude ist nicht groß.«
    »Nein, nein!«, entgegnete Sagaidak ernst. »In dieser Ernennung zeigt sich das Vertrauen der Partei. Ein Kreiskomitee – mag sein, aber kein gewöhnliches mit ein paar Dörfern, sondern eins mit Städten wie Magnitogorsk und Dneprodserschinsk. Ein Korps, gewiss, aber doch kein gewöhnliches – ein Panzerkorps!«
    Maschtschuk wusste zu berichten, dass der Kommandeur des Panzerkorps, dem Getmanow als Kommissar zugeteilt war, erst kürzlich ernannt worden sei. Er habe vorher nie einen Verband befehligt. Das habe ihm ein Kollege aus der Sonderabteilung der Front mitgeteilt, der unlängst in Ufa gewesen sei.
    »Und er hat mir noch etwas gesagt«, fuhr Maschtschuk fort, besann sich jedoch und fügte hastig hinzu: »Aber was soll ich ihnen da viel erzählen, Dementi Trifonowitsch. Sie wissen bestimmt mehr über den Mann als er selbst …«
    Getmanow kniff seine schmalen, klugen Augen zu einem Spalt zusammen, und seine fleischigen Nasenflügel zuckten, als er sagte: »Nun ja, schon!«
    Maschtschuks Antwort war ein leises, ironisches Lächeln, das keinem der Gäste entging. Es war seltsam: Obgleich Maschtschuk mit den Getmanows verschwägert war und sich bei Familientreffen als bescheidener, netter, einem Scherz nicht abgeneigter Mensch gab, spürten seine Verwandten doch eine gewisse Spannung, wenn sie seiner sanften, einschmeichelnden Stimme lauschten und ihm in die dunklen, ruhigen Augen im langen, blassen Gesicht schauten. Selbst Getmanow fühlte es, ohne dass es ihn überraschte, denn er wusste, welche Macht hinter Menschen wie Maschtschuk stand, Maschtschuk, der von Dingen Kenntnis hatte, die sogar ihm zuweilen verborgen blieben.
    »Wer ist der Mann eigentlich?«, fragte Sagaidak.
    »Ach, irgend so ein Emporkömmling der Kriegszeit«, antwortete Getmanow abschätzig, »vor dem Krieg hat er sich durch

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