Leben und Schicksal
nichts Besonderes ausgezeichnet.«
»Gehörte er nicht zur Nomenklatura?«, fragte der Bruder der Hausherrin mit einem Lächeln.
»Ob er zur Nomenklatura gehörte oder nicht«, erwiderte Getmanow mit einer geringschätzigen Handbewegung, »er ist jedenfalls ein tüchtiger Mann, Panzersoldat, sogar ein guter, sagt man. Stabschef des Korps ist General Neudobnow. Ich habe ihn auf dem achtzehnten Parteitag kennengelernt. Ein kluger Kopf.«
Maschtschuk sagte: »Illarion Innokentjewitsch Neudobnow? Das stimmt! Ich habe unter ihm angefangen. Später hat uns das Schicksal auseinandergeführt. Kurz vor Ausbruch des Krieges sind wir uns im Vorzimmer von LawrentiPawlowitsch 13 wiederbegegnet.«
»Wirklich auseinandergeführt?«, sagte Sagaidak lächelnd. »Du musst das dialektisch sehen, nach Identität und Einheit suchen, nicht nach Trennendem …«
»Wie ungereimt es doch im Krieg zugehen kann«, sagte Maschtschuk. »Da wird irgendein Oberst Korpskommandeur und ein General Neudobnow sein Untergebener!«
»Er hatte keine Kriegserfahrung, das darf man nicht übersehen«, entgegnete Getmanow.
Aber Maschtschuk wunderte sich weiter: »Man stelle sich vor, ein Neudobnow! Ein einziges Wort von ihm gab bei Entscheidungen den Ausschlag! Parteiveteran, Mitglied schon vor der Revolution, enorme Erfahrung auf militärischem Gebiet und in der Staatsverwaltung! Es gab mal eine Zeit, da dachte man, er würde sogar als Mitglied ins Kollegium aufgenommen werden.«
Die übrigen Gäste pflichteten ihm bei. Es war eine passende Gelegenheit, ihr Mitgefühl für Getmanow durch Sympathieerklärungen für Neudobnow zu demonstrieren.
»Ja, der Krieg hat alles durcheinandergebracht«, sagte der Bruder der Hausherrin. »Wenn er doch nur bald zu Ende wäre.«
Getmanow wandte sich, mit erhobener Hand um Aufmerksamkeit bittend, an Sagaidak.
»Haben Sie Krymow gekannt?«, fragte er. »Aus Moskau, der in Kiew in der Lektorengruppe des ZK ein Referat über die internationale Lage gehalten hat?«
»Der vor dem Krieg bei uns war? Dieser Abweichler, der irgendwann mal bei der Komintern gearbeitet hat?«
»Genau der. Und jetzt will mein Korpskommandeur die ehemalige Frau dieses Krymow heiraten …«
Diese Neuigkeit rief aus irgendeinem Grund allgemeine Heiterkeit hervor, obgleich keiner der Anwesenden die ehemalige Frau Krymows oder den Korpskommandeur, der sie heiraten wollte, persönlich kannte.
Maschtschuk sagte: »Ja, der Schwager ist nicht umsonst bei unseren Sicherheitsorganen in die Schule gegangen. Er weiß bereits über die Heiratspläne Bescheid.«
»Das muss man ihm lassen, der weiß schon, wie der Hase läuft«, sagte Nikolai Terentjewitsch.
»Das muss er auch, das höchste Oberkommando hat für Schlafmützen nichts übrig.«
»Und eine Schlafmütze ist auch unser Getmanow beim besten Willen nicht«, sagte Sagaidak.
Trocken und sachlich, als befände er sich in seinem Dienstzimmer, stellte Maschtschuk fest: »An diesen Krymow erinnere ich mich noch von damals, als er nach Kiew zu kommen pflegte – ein zwielichtiger Bursche. Seit Urzeiten jede Menge Verbindungen zu Trotzkisten und Rechtsabweichlern. Den zu durchschauen …«
Er sprach kühl und scheinbar ungezwungen, genau so hätte der Direktor einer Trikotagenfabrik oder ein Lehrer an einem Technikum von seiner Arbeit sprechen können. Und doch war allen Anwesenden klar, dass diese Sachlichkeit, diese Ungezwungenheit trügerisch war, dass er wie kein anderer wusste, wovon man reden durfte und wovon nicht. Getmanow, der seine Gesprächspartner selbst gern durch die Kühnheit, Schlichtheit und Offenheit seiner Rede verblüffte, musste ohnedies nicht erst darüber belehrt werden, welche verschwiegene, abgründige Tiefe sich unter der Oberfläche eines angeregten, unbefangenen Gesprächs verbergen konnte.
Sagaidak, der gewöhnlich ernster und sorgenvoller als die anderen Gäste wirkte, schien diesmal die unbeschwerte Stimmung festhalten zu wollen. In heiterem Ton erklärte er Getmanow: »Sogar seine Frau hat ihn verlassen, weil die Überprüfung für ihn nicht astrein gelaufen war.«
»Hoffen wir, dass das tatsächlich der Grund war«, sagte Getmanow. »Aber mir sieht es ganz danach aus, als wäre mein guter Korpskommandeur drauf und dran, eine Frau zu heiraten, die gar nicht ins Raster passt.«
»Na, wennschon! Deine Sorgen möchte ich haben«, mischte sich Galina Terentjewna ein. »Hauptsache, sie lieben sich …«
»Gewiss, Liebe ist die wichtigste Voraussetzung – jeder
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