Lebendig und begraben
herauszubringen.
»Nico«, sagte Diana. »Du hast keine Traumaplatten getragen.«
»Hey, ich hatte schon Glück, dass ich eine alte ballistische Weste dabei hatte«, antwortete ich zwischen zwei kurzen, schnellen Atemzügen. »Traumaplatten gehören nicht gerade zu meiner Standardausrüstung.« Es fiel mir immer schwerer zu atmen. Ich bekam nicht genug Luft in meine Lungen. Das hätte das zweite Warnsignal sein sollen.
»Du hättest auf uns warten sollen.«
Ich schaute Diana an und versuchte zu lächeln.
»Okay«, schloss sie endlich und tätschelte meinen Hals. »Ich bin froh, dass du nicht gewartet hast. Aber musst du denn wirklich immer der Erste auf dem Schlachtfeld sein und der Letzte, der es verlässt?«
»Ich gehe, sobald ich Alexa gesehen habe.«
Das hohle Klopfen und die fernen Angstschreie klangen, als kämen sie aus einer Meile Entfernung. Ich ertrug es nicht, noch länger zuzuhören. Aber die Bombenexperten setzten ihre Inspektion unbeirrt fort.
»Da sind keine Sprengkörper«, sagte ich. Ich taumelte über das matschige Feld. »Er hätte sonst damit geprahlt.«
»Wohin gehst du?«
»Ich hole sie da heraus.«
»Aber du weißt doch gar nicht, wie.«
Ich wusste es aber. Ich kannte mich mit Särgen aus. Das Verteidigungsministerium stellte den Familien von Soldaten, die im Einsatz gefallen waren, wenn sie es wünschten oder darauf angewiesen waren, gewöhnliche Metall- oder Holzsärge zur Verfügung. Ein paar Mal hatte ich die einsame und schreckliche Pflicht, die Leichen von Freunden auf ihrem Heimflug zu begleiten.
Als ich an Alexas Sarg ankam, schob ich einen der Jungs in den voluminösen Splitterschutzanzügen beiseite. Er protestierte, und der andere versuchte, mich aufzuhalten. Jemand schrie: »Zurückziehen.«
Der andere Typ vom SWAT-Team zog sich wie befohlen zurück. Ich schrie hinüber: »Einer von euch muss doch ein Inbusschlüssel-Set dabei haben, oder?«
Jemand warf mir ein Folding Tool mit einer ganzen Palette Inbusschlüssel zu.
Ich fand den passenden Schlüssel, steckte ihn in ein Loch am Fußende des Sarges und drehte ihn vier oderfünfmal gegen den Uhrzeigersinn, um den Deckel aufzuschließen.
An einigen Stellen, an denen der Stahlsarg unter der Last von drei Metern Erde Dellen bekommen hatte, war die Gummidichtung zerquetscht worden, trotzdem schaffte ich es, den Deckel aufzustemmen.
Mir schlug ein entsetzlicher Geruch wie aus einer offenen Kloake entgegen.
Alexa hatte in ihren eigenen Exkrementen gelegen. Sie starrte nach oben, aber ihr Blick richtete sich nicht auf mich.Ihr Haar war verfilzt, ihr Gesicht kalkweiß, und ihre Augen waren tief in die Höhlen eingesunken.
Sie trug blaue Krankenhauskleidung und war von Erbrochenem bedeckt. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, die sich unablässig bewegten, so als würde sie an die Wände des Sarges klopfen. Ihre nackten Füße zuckten.
Sie begriff noch nicht, dass sie frei war.
Ich kniete mich über sie, küsste sie auf die Stirn und sagte: »Hey.«
Ihr Blick suchte den Himmel. Zuerst schien sie mich überhaupt nicht wahrzunehmen. Dann sah sie mich, sie schaute mich völlig verständnislos direkt an.
Ich lächelte, und sie fing an zu weinen.
Das blieb dann noch für eine lange Zeit so ziemlich das Letzte, an das ich mich erinnern konnte.
107. KAPITEL
Ich hasse Krankenhäuser.
Leider musste ich ein paar Tage im Beth Israel Hospital in Boston verbringen, in das mich meine FBI-Freunde netterweise von New Hampshire aus mit dem Hubschrauber geflogen hatten. Der Notarzt erzählte mir, dass meine gesamte Brusthöhle mit Luft gefüllt gewesen wäre, meine Lungen kollabiert wären und ich unter akuter Atemnot gelitten hätte. Dass es ein lebensbedrohlicher Zustand gewesen und ich jetzt ganz sicher tot wäre, wenn einer der Männer des SWAT-Teams nicht sofort reagiert hätte.
Ich fragte ihn, was er denn mit mir gemacht hätte.
»Ich glaube nicht, dass Sie das wirklich wissen wollen«, antwortete der Arzt.
»Lassen Sie es drauf ankommen.«
»Jemand mit medizinischer Ausbildung stach eine großvolumige Braunüle in Ihre Lunge, um die Luft abzulassen«, sagte er vorsichtig.
»Meinen Sie so etwas wie ein Cook-Kit?«
Er sah mich verwundert an.
»In der Armee nannten wir das eine Nadel-Thorakostomie. Jeder Sanitäter hatte ein Cook-Pneumothorax-Kit in seiner Erste-Hilfe-Tasche bei sich.«
Er sah mich sichtlich erleichtert an.
Dann ließ er einen Haufen Röntgenbilder machen und legte mir eine Thorax-Drainage. Er ließ
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