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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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ich dachte wirklich, Sie gehörten zur Hausgenossenschaft. Genau genommen darf man seinen Hund hier nicht Gassi führen, einige meiner Nachbarn regen sich mächtig darüber auf.«
    »Ich werde Sie nicht verraten«, antwortete ich. »Außerdem war ich schon immer der Meinung, dass man Hunde dazu abrichten sollte, unseren Kot aufzusammeln.«
    »Ah. Ja, also … Ich würde ihnen ja die Hand schütteln, aber …«
    »Schon gut«, erwiderte ich. »Passt es Ihnen jetzt gerade?« Ich hatte ihn durch einen gemeinsamen Freund erreicht, ihm am Telefon gesagt, worum es ging, und ihn gefragt, ob ich kurz vorbeikommen könnte.
    »Begleiten Sie mich ein Stück«, forderte er mich auf. Ich folgte ihm zu einem historisch aussehenden Mülleimer, in den er die Plastiktüte versenkte. »Das mit dem Marcus-Mädchen tut mir natürlich sehr leid. Gibt es schon etwas Neues?Ich bin sicher, dass es nur ein Familienzwist ist. Sie ist in diesem schwierigen Alter.«
    Armstrong hatte einen vornehmen Bostoner Akzent, der überhaupt nicht dem ähnelte, was die meisten Leute für einen Bostoner Akzent halten. Es spricht kaum noch jemand so, außer vielleicht ein paar alte Walrösser im Somerset-Club. Jemand hat mir einmal gesagt, dass Armstrong vollkommen anders klänge, wenn man sich Aufnahmen von ihm als junger Mann anhörte. Irgendwo auf dem Weg nach oben hat er offenbar Patina angenommen. Allerdings stammte er tatsächlich aus einer alten Bostoner Familie. »Meine Familie ist nicht mit der
Mayflower
hierher gekommen«, sagte er einmal in einem Interview. »Wir haben nur unser Personal auf der
Mayflower
vorausgeschickt.«
    Wir standen mittlerweile vor seinem Haus; es hatte eine geschwungene Front, frisch gestrichene, schwarze Fensterläden und eine glänzend schwarze Haustür. Davor wehte eine große amerikanische Fahne. Armstrong stieg langsam die grau gestrichenen Betonstufen hoch. »Wenn es irgendetwas gibt, womit ich behilflich sein kann, dann fragen Sie mich einfach«, sagte er. »Ich habe ein paar Freunde.«
    Er schenkte mir sein berühmtes Lächeln, was ihm, einem gemäßigten Republikaner, vier Legislaturperioden im Senat eingebracht hatte. Ein Journalist hatte das Lächeln Armstrongs einmal mit einem behaglichen Kaminfeuer verglichen. Aus der Nähe allerdings wirkte es eher wie ein künstlicher Kamin mit Holzscheiten aus Keramik, die rot angemalt waren, um Glut zu simulieren.
    »Exzellent«, erwiderte ich. »Ich würde gern mit Ihrer Tochter reden.«
    »Mit meiner Tochter? Damit würden Sie nur Ihre Zeit verschwenden. Ich bezweifle, dass Taylor das Marcus-Mädchen in den letzten Monaten überhaupt gesehen hat.«
    »Sie haben sich gestern Nacht getroffen.«
    Der Senator verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Sein Pudel jaulte auf, und Armstrong riss abrupt an der Leine. »Das wusste ich nicht«, sagte er. »Trotzdem, ich fürchte, Taylor ist nicht zu Hause. Sie ist … shoppen. Dieses Mädchen liebt es einzukaufen.« Er zeigte mir diese Art von verschwörerischem Grinsen, mit dem Männer sich häufig untereinander über Frauen verständigen, und das bedeutete:
Frauen … Man kann nicht mit ihnen leben und auch nicht ohne sie.
    »Vielleicht sollten Sie noch einmal nachsehen«, antwortete ich. »Sie ist gerade oben in ihrem Zimmer.«
    Gabe überwachte ihre Facebook-Eintragungen für mich und schickte mir per SMS Updates. Ich wusste nicht genau, wie er das machte, weil er ja kein Facebook-Freund von Taylor war, aber er hatte offenbar eine Möglichkeit gefunden.
    Und vor wenigen Minuten hatte er mir gemailt, dass Taylor Armstrong ihren eintausenddreihundertzweiundsiebzig Freunden mitgeteilt hatte, dass sie sich eine alte
Gilmore-Girls- Wiederholung
im Fernsehen ansah und sich zu Tode langweilte.
    »Ich bin sicher, dass sie und ihre Mutter …«
    »Senator«, fiel ich ihm ins Wort. »Bitte, holen Sie Ihre Tochter für mich herunter. Das hier ist wichtig. Oder soll ich sie einfach auf ihrem Handy anrufen?«
    Selbstverständlich hatte ich Taylor Armstrongs Handynummer nicht, und wie sich herausstellte, brauchte ich sie auch gar nicht. Armstrong bat mich ins Haus, ohne sich die Mühe zu machen, seine Gereiztheit länger zu verbergen. Der Hund jaulte erneut, und Armstrong ließ die Leine schnappen. Sein Wahllächeln war erloschen. Der elektrische Kamin war ausgeknipst worden.

13. KAPITEL
    Taylor Armstrong betrat das Arbeitszimmer ihres Vaters wie ein Schulkind, das ins Büro des Direktors gerufen wurde. Sie versuchte ihre Unruhe

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