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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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bewaffneten Wachen meiner Meinung eher einem Gefängnislager glich, war es finstere Nacht, es standen keine Sterne am Himmel. Ich erzählte Dorothy, wie Marcus sein gesamtes Vermögen verloren hatte.
    Sie reagierte genauso ungläubig wie ich. »Wollen Sie mir damit sagen, dass dieser Kerl zehn Milliarden Dollar verloren hat, so als hätte er sie in Sofakissen gestopft?«
    »Mehr oder weniger, ja.«
    »Kann so etwas möglich sein?«
    »Mit Leichtigkeit.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sehen Sie, deshalb bin ich froh, dass ich die Finger vom Finanzwesen gelassen habe. Ich verliere ständig meine Schlüssel und meine Brille. Wenn man etwas verlieren kann, verliere ich es.«
    Während sie redete, tippte sie auf ihr Blackberry.
    »Erinnern Sie mich daran, dass ich Ihnen Geld gebe, damit Sie es verwalten«, antwortete ich.
    »Haben Sie eine Ahnung, was Mercury ist?«
    »Nicht einmal Marshall weiß es ja, warum sollte ich es dann wissen?«
    »Marshall
sagt,
er wüsste es nicht.«
    »Stimmt.«
    »Vielleicht ist es einer seiner ausländischen Fonds oder so etwas. Geld, das er irgendwo ausgelagert hat.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Wenn die Kidnapper wissen, dass sie ihr ganzes Geld verloren haben, wissen Sie auch, dass er pleite ist. Also kann sich ›Mercury‹ nicht auf Geld beziehen.«
    »Vielleicht glauben sie ja, dass er irgendwo etwas abgezweigt hat. Diese Kerle verstecken doch überall irgendwelche Gelder für Notlagen. Sie sind wie Eichhörnchen. Böse Eichhörnchen.«
    »Aber warum sagen sie es da nicht direkt? Warum fordern sie nicht: Überweise dreihundert Millionen Dollar auf dieses Konto in Übersee, oder wir töten das Mädchen?«
    »Das weiß ich nicht«, gab sie zu.
    »Nun, was ist wertvoller als Geld?«
    »Eine tugendhafte Frau.« Dorothy verzog die Lippen.
    »Ein geschützter Handelsalgorithmus, zum Beispiel. Eine Investmentformel, die er erfunden hat.«
    Sie schüttelte den Kopf, während sie tippte. »Ein Handelsalgorithmus? Der Kerl ist pleite. Was für eine geheime Quelle er auch angezapft haben mag, ich glaube ihm kein Wort.«
    Ich lächelte.
    »Sie glauben, er weiß es, aber er sagt es uns nicht?«
    »Ganz genau.«
    »Selbst wenn das seine Tochter das Leben kosten könnte?«
    Ich schwieg lange. »Schwer zu glauben, stimmt’s?«
    »Sie kennen ihn«, sagte sie. »Ich nicht.«
    »Nein«, gab ich zurück. »Ich dachte, ich würde ihn kennen. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
    »Pah«, meinte sie. Dann wiederholte sie den Laut.
    »Was ist?«
    »O Mann, das kann nicht wahr sein.«
    »Was denn?«
    »Herr im Himmel, bitte lass es nicht wahr sein.«
    »Wovon reden Sie?«
    Ich nahm kurz den Blick von der Straße und sah Dorothy an. Sie starrte auf ihr Blackberry. »Sie erinnern sich an dieses verrückte Zeug, das Alexa gesagt hat? ›Ich wälze mich hier an dem dunkelsten Ort‹?«
    »Ja … und?«
    »Ich habe es gegoogelt, Nick. Es ist eine Textzeile aus einem Song einer Rockgruppe namens
Alter Bridge.
«
    »Okay.«
    »Der Song heißt ›Lebendig begraben‹.«

29. KAPITEL
    Als ich Dorothy vor ihrer Wohnung auf dem Mission Hill abgesetzt und schließlich einen Parkplatz in der Nähe meines Lofts im Stadtzentrum gefunden hatte, war es fast einundzwanzig Uhr.
    Meine Wohnung war ein Loft im Lederviertel, was vielleicht ein bisschen anzüglich klingen mag, sich aber eigentlich auf ein sechs mal sechs Block großes Gebiet in der Innenstadt von Boston bezieht, zwischen Chinatown und dem Finanzbezirk. Die alten Backsteingebäude hier waren früher einmal als Schuhfabriken, Gerbereien und Lagerhäuser benutzt worden.
    Ich fand einen Parkplatz nur wenige Blocks entfernt, ging dann durch eine schmale Gasse zum dunklen Lieferanteneingang und die stählerne Treppe zum Hintereingang im fünften Stock hinauf.
    Das Loft war ein einziger, großer offener Raum mit einer fünf Meter hohen Decke. Das Schlafzimmer lag in einer Nische, und zwar auf der anderen Seite des Raumes, gegenüber vom Badezimmer. Schlechte Planung. In einer weiteren Nische befand sich eine Küche mit hochmodernen Geräten, von denen ich bis auf den Kühlschrank keins jemals benutzt hatte. Es gab eine Menge schmiedeeiserner Säulen, blanke Ziegel und Rohre und natürlich die obligatorischen offen liegenden Stromleitungen. Das Loft war sparsam, funktional und schmucklos eingerichtet. Nicht mit irgendwelchen Sachen voll gestellt.
    Ein Psychiater hätte ganz bestimmt gesagt, dass ich gegen meine Herkunft und Jugend in dem riesigen Herrenhaus in

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