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Lebendig und begraben

Lebendig und begraben

Titel: Lebendig und begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finder Joseph
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noch die schwarzen Plastikmüllsäcke aus dem Kofferraum.
    Eine Autopsie war nicht zu erwarten. Wahrscheinlich würde man glauben, der Polizeioffizier sei bei einem tragischen Unfall getötet worden, und es dabei belassen. Aber selbst wenn … bis die Autopsie abgeschlossen war, würde er schon längst verschwunden sein. Ihn interessierte nur, wasin den nächsten vierundzwanzig Stunden entdeckt werden konnte.
    Bevor er den Wagen in die Schlucht stieß, legte er den Vorwärtsgang ein. Falls der Wahlhebel der Automatik in der neutralen Position stand, wenn man den Unfall entdeckte, würde sich jeder versierte Polizist sofort denken können, was wirklich geschehen war.
    Solche Fehler machte er nicht.

68. KAPITEL
    Abends, ein paar Minuten nach einundzwanzig Uhr, wirkte der John-Hancock-Tower, das höchste Gebäude in Boston, wie ein großer, schwarzer Monolith. Hier und da gab es noch einzelne, beleuchtete Fenster, verteilt wie einzelne Maiskörner auf einem fast vollständig abgeknabberten Maiskolben. Bei einigen Mietern des Gebäudes herrschte rund um die Uhr Betrieb. Ganz sicher aber nicht bei der Rechtsanwaltskanzlei von Batten Schechter in der achtundvierzigsten Etage. Hier arbeiteten keine Anwaltsgehilfen wie besessen die Nacht durch, um irgendwelche Abgabetermine einzuhalten oder einen Gerichtstermin vorzubereiten. Die Anwälte von Batten Schechter machten sich nur selten an etwas so Vulgärem wie öffentlichen Gerichtsprozessen die Hände schmutzig. Es war eine gesetzte, würdevolle Firma, die sich auf Trusts, Immobilien und gelegentliche Rechtsstreitigkeiten spezialisiert hatte, die immer im Stillen hinter verschlossenen Türen nach zähen Verhandlungen beigelegt wurden und vielleicht auch durch ein passendes Wort, das man dem richtigen Richter oder Beamten ins Ohr flüsterte. Es war wie bei der Pilzzucht; dem hellen Tageslicht ging man lieber aus dem Weg.
    Ich steuerte den weißen, fensterlosen Ford-Lieferwagen den Trinity-Platz hinunter bis an die Rückseite des Hancock-Towers und weiter zu den Laderampen. Eine Reihe von fünf Stahlpylonen blockierte meinen Weg. Ich stieg aus und las die Warnschilder: ZUM EINLASS NICHT HUPEN und SCHWARZEN KNOPF DRÜCKEN & GEGENSPRECHANLAGE BENUTZEN, FALLS VERSCHLOSSEN. Dann drückte ich den großen schwarzen Knopf.
    Das stählerne Rolltor fuhr hoch. Dahinter stand ein Mann von der Größe eines Löschwasserhydranten. Die Unterbrechung schien ihm auf die Nerven zu gehen. Es war 21:16 Uhr. In Schreibschrift war in sein Hemd, über dem Namen der Firma, CARLOS, sein eigener Name, gestickt. Er schaute auf das Firmenlogo an der Seite des Lieferwagens – DERDERIAN KOSTBARE ORIENTTEPPICHE – nickte und betätigte einen Schalter, woraufhin die Stahlsäulen in der Straße versanken. Er zeigte auf einen freien Platz an den Ladebuchten, wo schon ein paar andere Servicefahrzeuge parkten.
    Er bestand darauf, mich einzuweisen, als ob ich nicht selber einparken könnte, und winkte mich immer näher an die Ladebucht heran, bis der vordere Teil des Lieferwagens die Stoßfänger aus schwarzem Gummi berührte.
    »Wollen Sie zu Batten Schechter?«, fragte Carlos. Ich nickte ebenso höflich wie distanziert.
    Er wusste nur, dass die Anwaltskanzlei von Batten Schechter bei der Hausverwaltung des Hancock-Towers angerufen und mitgeteilt hatte, dass kurz nach 21:00 Uhr ein Teppichreiniger in ihren Räumen arbeiten würde. Er brauchte nicht zu wissen, dass es sich bei der Büromanagerin von Batten Schechter in Wahrheit um Dorothy gehandelt hatte.
    Alles klappte wie am Schnürchen. Ich musste Mr. Derderian nur versprechen, einen seiner maßlos überteuerten,aber sehr eleganten Teppiche für mein Büro zu kaufen. Im Gegenzug lieh er mir gern einen seiner Lieferwagen. Abends war sowieso keiner davon im Einsatz.
    »Wie läuft’s, Carlos?«
    Er gab die Bostoner Standardantwort: »Läuft gut, läuft gut.«
    Carlos hatte einen unverkennbar Bostoner Akzent mit einem Hauch Lateinamerika.
    »Viele Teppiche zu reinigen da oben?«
    »Nur einer.«
    Er grunzte.
    Ich öffnete die hintere Klappe des Lieferwagens und mühte mich mit dem unförmig großen Teppichshampoonierer ab. Er half mir dabei, das Gerät auf den Boden zu wuchten, obwohl es eigentlich nicht seine Aufgabe war. Dann zeigte er mit dem Daumen zu einer Batterie von Lastenaufzügen.
    Es dauerte einige Zeit, bis der Fahrstuhl kam. Er hatte abgewetzte Stahlwände und eine Bodenplatte mit einem Aluminiumprofil. Ich drückte den Knopf zur 48. Etage und

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