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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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seinem. Doch weit gefehlt!
    Wer hätte schließlich gedacht, dass ihn als Autostopper ausgerechnet ein verrückter Wirt aus Aussee auflesen würde, der ihn halb Erfrorenen in einen Steireranzug steckte und ihm eine illegale Lebensstellung als – Überraschung! – Zwiebelschäler anbot? Da kann er nur sagen, dass der verfickte Konfuzius verdammt Recht hatte, als er auch sagte:
    „Manchmal ist das Leben dämlicher als Scheiße!“
    Sagte Konfuzius auch.
    (Doch halt! Gestern Nachmittag, als er in dem völlig aus dem Ruder gelaufenen Deutschkurs für Ausländer dieses kleine platinblonde Luder in der Bank hinter sich sitzen und sich die Fingernägel lackieren sah, da dachte er plötzlich, dass sich das Blatt doch noch zu seinen Gunsten wenden könnte! Diese süße kleine Torte sah wirklich zu nahrhaft und saftig aus — wie der Hund „Möse“ –, aber hallo!
    Jedoch wurde ihm schlagartig gerade durch ihren Anblick die ganze Aussichtslosigkeit seiner Lage in diesem Land bewusst, denn: In der ganzen Hektik seiner Tagesplanung war es ihm natürlich abermals nicht gelungen, sich nach all den Monaten voller 20-Stunden-Tage im Sklavenjob endlich wieder mal zu waschen! Erschwerend für einen vielversprechenden Flirt kam hinzu, dass er wie immer keine Schuhe trug, weil er sein einziges Paar schon vor vielen Jahren irgendwo verlegt hatte – er glaubt in Mazedonien – und ihn unter seinen Achseln seit Anbeginn der Flucht das Salz der Schweißränder in seinem nie gewechselten T-Shirt ganz fürchterlich kratzte. Da war auch ihm klar, dass er mit seinem speckigen Steireranzug, der ihm am sehnigen Leib flattert wie die rote Fahne im Wind, und mit seinem hartnäckig bakteriellen Körpergeruch, der das Kainsmal eines jeden Flüchtlings ist – der Stress! Die Angst! Die Hektik! Die ungesunde Ernäherung! –, selbst als Ex-Gigolo die blonde Sexbombe nicht mehr in die Kiste kriegen und flachlegen würde, das war das eine Problem. Das andere Problem war, dass er gar keine Kiste hatte, sondern bei diesem Wirten in der 100-x-100-cm-Nirosta-Abwaschanlage der Gasthausküche schlafen musste! Und dort im kalten Stahlbad wäre selbst dann keine Stimmung aufgekommen, wenn er die heißen Flammen am Gasherd hätte lodern lassen und der blonden Schönheit – eine Dänin? – den Landstreicher-Welthit von diesem Shubidu Jack vorgesungen hätte!)
    „Go, go Hobo! Hobo, go, go!“, singt er nun also entspannt und alleine unter dem 1.-Klasse-Waggon vor sich hin, begleitet nur von der Musik der donnernden Eisenräder. Er zündet sich noch eine getrocknete Zwiebelschale an. Doch in diesen frühen Morgenstunden, da es überall auf der Welt immer am kältesten wird, wärmt auch der tief inhalierte Rauch nicht mehr, und er zittert wie ein einzelnes Reiskorn im Wok. Schnell macht er ein paar Dehn- und Streckübungen, während der Zug mit vermutlich weit über 180 Sachen dahindonnert. Dann dreht er sich wieder auf die linke Seite und verteilt dadurch sein Gewicht vorübergehend auf linken Fußknöchel und linken Ellenbogen. Fröhlich singt er, weil jetzt alles vorbei ist und er Aussee endlich hinter sich lassen kann.
    Wer weiß schon, meditiert er nun beinahe versöhnt über sein Leben, wozu es letztlich gut war, wie alles gekommen ist? Fernöstlicher Mystiker, der er ist, mag er im Nachhinein sogar dankbar sein, dass er sich eine Affäre mit dieser Blonden im Deutschkurs erspart hat und weiter das Lied der Freiheit und der Ungebundenheit singen darf. Denn nun liest er im Schein der Glut seiner Zigarette den Brief seines Bruders zu Ende, und soviel er diesem entnehmen kann, sind die blonden Frauen Europas schlimmer als fünfzig Jahre Kulturrevolution!
    Ach mein Bruder! Liebeskummer ich habe auch so viel Kurzzeitaffare mit viel blonde Sexgöttin aus Russland ist aus schluss vorbei. War heisse Kiste mit heisse Rakete Ivana, aber sie sich nach Blutbad letztendlich für schlimme schlimme Mann in weisse Anzug und rote Ferrari entschieden, vielleicht aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus, vielleicht deswegen. Blonde Frauen immer nur sehen Geld Geld, Geld! Gibt es in Westen nichts Wichtigeres als Geld, Geld’ Geld? Bin sehr traurig, muss immer viel weinen, immer weinen. Will wieder zurück zu Mutti. Hab ich schon geschrieben, dass Essen hier ganz schlecht?
    Freundschaft!
    Dein Bruder Tschu En Lei, eng verwandt nicht verschwägert.
    Da ist er letztlich mehr als froh, dass er die Hände von dem blonden Gift gelassen hat! Liebeskummer kann er sich in

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