Lebensbilder II (German Edition)
Zeugen seines Fluchs beschworen und mich ihnen geweiht. Nein! nein! Luigi – ich darf in meiner Todesstunde nicht lügen – nein! wisse: auch früher schon konnte ich der Bangigkeit nicht Herr werden, soviel ich auch meine Überlegung und meinen Verstand zu Hilfe nahm, so sehr auch deine Liebe mich tröstete. Ich glaube wahrlich nicht, daß es der Fluch, die Worte waren. – O nein! aber ich sollte meinen Vater nie wiedersehen. – Ach, was ist die Abwesenheit doch für eine wunderbare Pflege der Liebe! Es ward mir so lebendig, wie er mich ehedem geliebt, wie er als Kind mich gepflegt, wie er auf der Reise hierher, ermüdet wie er war, mich auf seinen Armen meilenweit getragen, mich gefüttert mit der Nahrung, die er sich abgedarbt, wie er als Greis ganz in mir lebte und ohne mich nicht sein konnte. – Ach, ich bin nicht ganz unschuldig, schwer habe ich ihn gekränkt, sein wildes Herz blutig gereizt. – Gott wird barmherziger sein als er und mir vergeben! – Dann schien es mir zu Zeiten, als ob unsere Ehe deshalb kinderlos bliebe, weil der Fluch ihr den Segen der Fruchtbarkeit geraubt. Ich bin viel schwächer, als ich je zu sein mir eingebildet. Dies Gefühl übermannte mich im Wochenbette, das hat mein Kind getötet und tötet jetzt mich. Diese Erregbarkeit der weiblichen Natur brachte in Erfüllung, was zu denken widersinnig, schrecklich wäre. Gott sei Dank, ich kann so in der Sterbestunde reden.‹
Ich hielt mich nicht länger, unterbrach Luigi seine Klage. Ich sank vor ihr auf die Knie und benetzte ihre welke Hand mit Küssen und Tränen. – ›Was Menschen möglich ist, habe ich getan‹, rief ich. ›Seit vierzehn Tagen stand ich unbeweglich vor seiner Tür, jedermann kannte und entsetzte sich vor dem starren Jammerbild. Er hielt die Tore eigensinnig verschlossen. Ich schrieb mit verstellter Hand, erfand alle erdenkliche Namen, damit er die Briefe nicht erkenne und lese. – Oh Ginevra! ich ging weiter als du weißt, – ich klagte mich als deinen Mörder an, den du verabscheutest, schilderte dich als reuige Büßerin, die sterbend sich mit ihren Eltern versöhnen möchte. Und diesen Erguß meines Schmerzes sandte ich deiner Mutter zu, hoffend, ein weibliches Herz sei versöhnlicher! – Sie müssen wenigstens einige der Briefe empfangen haben, es ist nicht anders möglich.‹«
»Ich nicht!« jammerte die Baronesse, »es hätte mir das Leben gekostet, er unterschlug sie alle.«
Bartholomeo stand sprachlos!
»Das ist nun alles eins«, fuhr Luigi fort – »Ginevra rief: ›Wie können Eltern so unnatürlich hart sein? Das Tier haßt seine Jungen nicht, der Pelikan tränkt sie mit seinem Blute, die Wurzel nährt die Blüte und ihre Frucht mit ihren kostbarsten Säften, und Menschen fluchen der Frucht, die sie gezeugt, geboren, genährt, großgezogen!‹ – Es war ihre letzte leidenschaftliche Regung. ›Luigi,‹ sprach sie matt, ›ruf jetzt den Geistlichen und bleibe um mich, denn du liebst mich, und ohne dich bangt mir vor dem Tode, den die wünschen, die mir das Leben gaben. Und bin ich hingeschieden und kalt und starr und unempfindlich für deine Liebkosungen, so schneide mir das Haar ab und bringe es meinen Eltern. Sag' ihnen, wie Ginevra starb, und daß sie ihnen ihr Haar sende, es gilt bei uns zu Lande für ein Liebeszeichen, sie werden es annehmen und versöhnt sein.‹
Keines Wortes mächtig, reichte ich ihr zum Zeichen des Gehorsams meine Hand, die sie drückte. – ›Du bist gut,‹ sprach sie – ›sehr gut – ich werde dich jenseits auch noch lieben.‹ – Der Geistliche trat ein. Und während der feierlichen Sterbe-Handlung fühlte ich kein Leid mehr. Sie starb, ich wünsche, ebenso zu sterben. – Hier ist ihr Haar. – Bis morgen bleibt sie unbeerdlgt. – Ihr könnt sie sehen!« –
Bei diesen Worten zog er Ginevras rabenschwarzes, reiches Haar, mit Gold und Perlenschnüren zierlich durchflochten, aus dem Busen, legte es auf einen Tisch und wollte gehen. In der Tür wandte er sich noch einmal um. »Gib deine Blutrache nicht auf!« rief er zu Bartholomeo, »glücklich wäre ich, wenn dein Dolch mich träfe. Gib deine Blutrache nicht auf, ich hoffe es! – Gibst du sie auf, so trage ich mehr Elend, als dein Dolch je angestiftet!« –
Zweites Bild
Der Geizhals
Sehr spät endeten die Soirees bei der Vicomtesse von Grandlieu. Schon war eine Stunde nach Mitternacht vorüber, und eben erst hatte ein schöner junger Mann sich verabschiedet. – Das Rollen seines Wagens hallte von
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