Lebensbilder II (German Edition)
Erfülle noch meine letzte Bitte. Laß mich, ehe ich sterbe, noch einmal den Himmel sehen und die reine Nachtluft einatmen.‹
›Liebes Weib,‹ sagte ich,›es ist eine grimmig kalte Nacht.‹
›Der Tod ist kälter, und ich fühl' ihn schon in meinen Gliedern. Schlag einer Sterbenden nicht aus eigensinniger Pflege die letzte Bitte ab. Der Anblick des hohen Himmels und deine Gegenwart wird mich beruhigen. Mit euch beiden habe ich es nicht verdorben, und ich habe um mich, was mein ist, und ich lieben darf.‹
Ich hatte meine Besinnung nur in Tränen und schob die schwere Bettstelle zum Fenster hin. Sie sah, wie ich mich mühte, lächelte dankbar, ach! es war das letzte, was ich für sie tat. – Ich mußte das Fenster ihr öffnen und in einen wollenen Schal gehüllt sie aufrichten, daß sie sich auf die Brüstung lehnen konnte.
›Lieber Luigi‹ sprach sie, ›so hoch reicht kein Vaterfluch, o welche sternenhelle, reine Nacht! Der Himmel würde nicht so ernstvoll-heiter blicken, wäre er auf Ginevra erzürnt wie der Vater. Wenn das unseres Todes Aussehen ist, wahrlich, es ist herzerhebend und ermutigend. Wir sollten uns dann nicht vor dem Tode fürchten, denn es gibt keinen erhabeneren, wünschenswerteren Anblick. Lieber Mann, höre mir zu. Ich habe dir noch viel zu sagen.‹
›Liebst du mich noch,‹ fragte ich außer mir vor Schmerz, ›hat der Fluch des Vaters mich nicht aus deinem Herzen gejagt?‹
›Bei Gott, vor dem ich noch in dieser Nacht stehen werde, in diesen meinen letzten Augenblicken liebe ich dich wie im ersten, da ich dich sah, und mehr, inniger noch. Diese Frage, ich weiß wohl, richtest du an mich, weil ich dich von meinem Krankenbette entfernt hielt. – Ich nahm wahr, wie du, um mich zu pflegen, deine Arbeit versäumtest und die Nacht zu Hilfe nahmst, um nicht zurückzubleiben. Teurer Gemahl! Du hast mehr für mich getan, als ich billigerwelse hätte zulassen dürfen, wüßte ich nicht, wie süß die Mühe um den Geliebten ist. – Nicht als eine einfache Offiziersgattin, die ich nunmehr geworden, sondern als die Baronesse di Piombo hieltst du mich. Hätte ich zugelassen, daß du die Nächte in angestrengter Geistestätigkeit, mit dem Leid um mich im Herzen, zugebracht, deinen Tod hätte ich auf dem Gewissen gehabt. – Mein Luigi! Der Fluch des Vaters hatte keine Macht über dieses Herz, du warst mir in keinem Augenblick gleichgültig. Gedenkst du noch – Luigi – jenes feierlichen Tages, wo wir Hand in Hand vor den Altar traten? Wir standen allein, die übrigen Vermählungspaare hatten ein großes Gefolge von Freunden und Anverwandten. Wir waren einfach gekleidet, sie hoch ausgeschmückt; wir still und ernst, sie machten ein leichtsinniges Fest aus der hohen Feierlichkeit. – Und als die verfeindeten Namen Luigi Porta und Ginevra di Piombo durch die Kirche hallten, als durch die bunte Menge ein Geflüster streifte (man erzählte sich, daß kein Vatersegen auf dem Bunde ruhte), da schwuren wir uns die Treue, die wir fühlten, mit einem Worte, einem Blicke, die der Seele angehörten und uns allein verständlich waren. Und dies Gelübde haben wir gehalten, wie nur ein Mensch es vermag. Jede schöne Empfindung verläßt uns zu Zeilen, weicht der schlechteren Natur in uns, ermattet und schläft wie der Leib. Ich weiß aber keinen Augenblick, wo ich meinen Luigi nicht liebte. Nicht mit dem Jugendfeuer der ersten erwachten Zuneigung, nicht in dem Künstlerrausch, wie die Malerin damals, die Luigi Portas herrliche lebende Gestalt zuerst sah. – Mit der Treue und Sorgfalt einer Gattin, die ihre Pflichten kennt, und in der Erfüllung derselben zu jeder Zeit Beruhigung fühlt. Und du auch hast dich stets zärtlich, nachsichtig, zuvorkommend und treu gegen mich erwiesen, vom ersten Tage unserer Verlobung bis jetzt in meiner Sterbestunde. – Wir haben befolgt, was Gott angeordnet, und dürfen mit unserer Liebe vor seinen hohen Richterstuhl treten, damit er den Vaterfluch löse, der darauf ruht. – Drei Jahre lang, mein Teuerster, warst du mit mir zufrieden, ach! vergib mir, wenn ich in den letzten Wochen dich bisweilen quälte, den schwangern Frauen muß alles verziehen werden. Die Furcht vor der schweren Entbindungsstunde, die beängstigende Last des Leibes bewegt sie zu seltsamen Grillen und Launen. – Da gab es Augenblicke, wo der fürchterliche Vater gräßlich fluchend vor mir stand und ich im inneren gehemen Schauder das Dasein jener finstern Mächte zu erkennen glaubte, die er zu
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